Geschichte der Integrierten Gesamtschule in Rheinland-Pfalz
Die Integrierte Gesamtschule in Deutschland wurde Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts als Folge einer breiten Bildungsdiskussion konzipiert. Vertreterinnen und Vertreter des Gesamtschulgedankens argumentierten, dass das nach dem Zweiten Weltkrieg restaurierte gegliederte Schulwesen den wachsenden Aufgaben und Anforderungen eines demokratischen und leistungsfähigen Staates nicht mehr gewachsen sei.
Um vorhandene Bildungsressourcen stärker auszunutzen, entwickelte der Deutsche Bildungsrat die horizontal und integrativ gegliederte Gesamtschule in verschiedenen Stufen als Alternative zum gegliederten, vertikal aussondernd strukturierten Schulwesen: Jedes Kind soll in einer Schule nach seinen individuellen Voraussetzungen die einzelnen Stufen durchlaufen können, bis es den jeweils möglichen Abschluss erreicht hat. Die Integrierte Gesamtschule ist daher von Anfang an eine Schule für alle Kinder und setzt auf eine größere Chancengerechtigkeit: Bildungsgänge werden in ihr nicht zu früh und nicht zu sehr vom Elternhaus abhängig getroffen.
In der weiteren bildungspolitischen Entwicklung blieb es den einzelnen Ländern vorbehalten, Gesamtschulen einzuführen. In Rheinland-Pfalz wurde mit einer Änderung des Schulgesetzes im Jahre 1992 die Integrierte Gesamtschule zu einer gleichberechtigten Schulart in der Sekundarstufe I.
Neben den fachlichen Bildungsinhalten setzt die Integrierte Gesamtschule in gleichem Maße auf soziales Lernen, um die Zukunft einer demokratischen Gesellschaft der Vielfalt gestalten zu können. Die heterogen zusammengesetzten Lerngruppen werden dabei als Chance gesehen, weil sich die Vielfalt der Gesellschaft in den Klassen und Lerngruppen widerspiegelt und damit längeres gemeinsames Lernen mit- und voneinander ermöglicht.
Aus dieser Grundlegung leitet sich wiederum ein stärker individualisierter Lernbegriff ab, wofür die Integrierte Gesamtschule eine Reihe von strukturellen und inhaltlichen Instrumenten entwickelt hat:
- Leistungsdifferenzierung in verschiedenen Fächern und unterschiedlichen Klassenstufen
- Neigungsdifferenzierung durch die Wahlpflichtfächer
- eine Vielzahl von Lern- und Arbeitsformen mit individualisierten Möglichkeiten:
- Freiarbeit
- Planarbeit
- Partnerarbeit
- Gruppenarbeit
- Projektarbeit
- anhaltende (Lern-) Beziehungen (möglichst stabile Lerngruppen, keine Versetzungsentscheidung bis Klasse 9)
- veränderte Schüler-Lehrer-Beziehung (Struktur der Teamschule, Doppeltutorenschaft)
- Formen individualisierter Beratung durch verbale Beurteilung statt Kopfnoten, Schüler-Eltern-Lehrer-Gespräche, Schullaufbahnprognose und individuelle Unterstützung durch Schulsozialarbeit
Die Integrierte Gesamtschule ist aus dieser Entwicklung heraus diejenige Schulart, die auf einem pädagogischen und innovativen Konzept beruht. Ein solches muss jede Integrierte Gesamtschule entwickeln, umsetzen und stets aktuell halten. Über mehr als vierzig Jahre hinweg hat die Integrierte Gesamtschule damit ihre Leistungsfähigkeit bewiesen, sich zu einer Alternative zum gegliederten Schulwesen entwickelt und als Regelschule für alle Kinder etabliert.