Fachseminar Ethik
Obwohl der Religionsunterricht das einzige Fach ist, das im Grundgesetz (vgl. Art 7) als ordentliches Lehrfach bezeichnet wird und in der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz die Erteilung des Faches Ethik als „Unterricht über die allgemein anerkannten Grundsätze des natürlichen Sittengesetzes“1 geregelt ist, wird der Unterricht der beiden Fächer von vielen als nachrangig angesehen. Dies spiegelt sich in der Unterrichtsversorgung und Stellenverteilung. Ein wachsendes Bewusstsein von dem, was fehlt, könnte allerdings dazu führen, die Versorgungssituation mit den genannten Unterrichtsfächern an den berufsbildenden Schulen in naher Zukunft zu verbessern und so den Anforderungen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz wieder zu entsprechen.
So wie der konfessionelle Religionsunterricht in einer pluralistischen Gesellschaft an der Schnittstelle zwischen Kirche und Staat steht, hat sich auch der Ethikunterricht als Ersatzfach für den konfessionellen Religionsunterricht im Unterrichtsalltag stets zu bewähren und zu legitimieren. Entsprechend wichtig ist eine professionelle Vorbereitung der Lehramtsanwärter*innen auf den Unterrichtsalltag im Schuldienst.
Wie alle Lehrer müssen Ethiklehrer*innen „ihr Amt im Sinne der Grundsätze der Verfassung“2 ausüben. Ziele und Inhalte des Ethikunterrichts ergeben sich aus seiner Funktion als Ersatzunterricht für das Fach Religion entsprechend dem Bildungsauftrag der Schule, wie er im Schulgesetz von Rheinland-Pfalz formuliert ist:
„In Erfüllung ihres Auftrages erzieht die Schule zur Selbstbestimmung in Verantwortung vor Gott und den Mitmenschen, zur Anerkennung ethischer Normen, zur Achtung vor der Überzeugung anderer, zur Bereitschaft, die sozialen und politischen Aufgaben eines Bürgers im freiheitlich-demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu übernehmen, und zur verpflichtenden Idee der Völkergemeinschaft. Sie führt zu selbstständigem Urteil und zu eigenverantwortlichem Handeln; sie vermittelt Kenntnisse und Fähigkeiten mit dem Ziel, die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Orientierung in der modernen Welt zu ermöglichen sowie zur Erfüllung der Aufgaben in Staat, Gesellschaft und Beruf zu befähigen.“3
Eine besondere Herausforderung, der sich Ethik- wie Religionsunterricht stellen müssen, ist es, mit einem sehr begrenzten Unterrichtsstundenkontingent „im Sinne unserer pluralistischen Gesellschaft unterschiedliche weltanschauliche Standorte“ aufzuzeigen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Sie sollen die Schüler*innen „zur Achtung und Annahme von Mehrheitsbeschlüssen und zu Positionen hinführen, die mit den in unserer Verfassung verankerten Werten und Normen übereinstimmen. Der Ethikunterricht darf weder ideologisch indoktrinieren noch Indifferentismus fördern. Der Schüler soll die Einsicht gewinnen, daß nur durch Anerkennung eines Grundbestandes von Werten in unserer Gesellschaft Freiheit und Würde des Menschen möglich sind.“4
Analog zum bekenntnisorientierten Religionsunterricht geben die Ethiklehrer*innen diesen Werten ein Gesicht. Im Fachseminar Ethik des Studienseminars für das Lehramt an berufsbildenden Schulen in Trier versuchen wir gemeinsam, die sich daraus ergebende Vorbildfunktion als Ethiklehrer*in zu erschließen, zu erkennen, anzuwenden und als professionelle und persönliche Haltung zu verinnerlichen. So gilt es, auch im Verlauf des Vorbereitungsdienstes, an uns selbst diejenigen Kompetenzen und Haltungen zu stärken, die wir im Ethikunterricht in den Schulen fordern und fördern sollen, zum Beispiel:
- Sittliche Entscheidungsfähigkeit
- Stärkung der Fähigkeit zur Empathie
- Verantwortungsbereitschaft für sich selbst und andere
- Reflexionsfähigkeit sittlicher, philosophischer und religiöser Fragen
- Einsicht in erkenntnistheoretische Probleme
- logische Klärung von Begriffen
- Aufbau eines fachimmanenten Begriffsinventars
- Stärkung der Argumentationsfähigkeit
- Fähigkeit, eine strukturierte Diskussion zu moderieren
- Fähigkeit, Probleme zu erörtern
- Fähigkeit, indifferente Haltungen in Frage zu stellen und durch Wachsamkeit zu ersetzen
- Fähigkeit, Kommunikationsstrukturen zu eröffnen, die keine Zwänge mehr produzieren und ausschließlich den „eigentümlich zwanglosen Zwang des besseren Argumentes“ gelten lassen
- die ideale Sprechsituation im Sinne einer adressatenorientierten und Wahrheit intendierten Problemdiskussion als Bedingung und Korrektiv eines jeden realen Diskurses wirksam werden zu lassen
- Ermöglichung philosophischer Reflexion aus den eigenen Denkansätzen der Schüler*innen
- Kritikfähigkeit als Notwendigkeit verstehen lernen, eigene Aussagen begründen zu müssen und im Diskurs zur Disposition zu stellen
- Fähigkeit, Äußerungen auf der Sachebene nicht als Angriffe auf die eigene Identität zu deuten
Im Sinne des kompetenzorientierten Lernens an berufsbildenden Schulen arbeiten wir im Fachseminar Ethik auch mit Kompetenzrastern5, die sich am in der Berufspädagogik bewährten Strukturmodell der vollständigen Handlung orientieren. Ausgehend von beruflichen oder lebensweltlichen Handlungssituationen üben wir - analog zu professionellen beruflichen Handlungen, beziehungsweise konkreten lebensweltlichen Alltagssituationen -didaktisch unterrichtliche Lernsituationen so zu entwerfen, dass sie entlang der Phasen der vollständigen Handlung die Planung von Lernhandlungen mit differenzierten Lernniveaus ermöglichen mit dem Ziel der Konstruktion von Handlungsprodukten, beziehungsweise eigenverantwortlicher, kreativer und innovativer Problemlösungen. Ausgehend von den zu fördernden Kompetenzen versuchen wir auch in der Fachdidaktik Ethik Lernsituationen und Lernjobs so zu entwerfen, dass sie ganzheitlich, authentisch, bedeutsam, herausfordernd, passend zum Lernniveau der Lerner*innen, offen, exemplarisch, handlungs-, berufs- und lebensweltorientiert sind. Soweit die Theorie.
Da die Konstruktion didaktischer Abschnittspläne und schulischer Arbeitspläne in der alltäglichen Schul- und Unterrichtspraxis aber niemals losgelöst von den tatsächlichen Ressourcen der Schulen, der Schüler*innen und Lehrer*innen geplant und durchgeführt werden kann, sind bei der Planung und Durchführung des Ethikunterrichts stets auch die individuellen Bedürfnisse, Ressourcen und Entwicklungspotentiale der Lernenden wie auch der Unterrichtenden sowie gesellschafts- und lerngruppenrelevante Aktualitätsbezüge zu berücksichtigen.
Das Fachseminar Ethik am Studienseminar Trier orientiert sich an der Landesverordnung über die Ausbildung und Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an berufsbildenden Schulen6, der Curricularen Struktur, den inklusionspädagogischen Kompetenzen in der Curricularen Struktur der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung im Vorbereitungsdienst und dem Orientierungsrahmen Schulqualität7.
Teamorientiert beraten wir die Anwärter*innen während des Vorbereitungsdienstes im Staatlichen Studienseminar für das Lehramt an berufsbildenden
Schulen in Trier in einem modularen System zwecks Erwerbs von Kompetenzen und anhand von Lernsituationen:
Modul 1: Schule und Beruf
Modul 2: Sozialisation, Erziehung und Bildung
Modul 3: Kommunikation und Interaktion
Modul 4: Unterricht
Modul 5: Diagnose, Beratung und Beurteilung