Ihr Engagement für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und gegen Hass, Hetze oder jegliche Form von Extremismus, Rassismus oder Antisemitismus

Sehr geehrte Schulleiterinnen und Schulleiter,

sehr geehrte Lehrkräfte,

liebe Schulgemeinschaft,

Schule ist ein Raum, in dem es nicht nur um das Lehren und Lernen, sondern auch um die Frage geht, wie wir zusammenleben wollen. Sie muss zugleich ein Ort des Schutzes und der Ruhe sein. Wie Sie alle wissen, spiegelt sich in der Schule jedoch ebenso wider, was in der Gesellschaft passiert. Deshalb geht es auch in der Schule immer um die großen Themen, die alle bewegen – sei es im Unterricht oder als Gespräch in den Pausen, im Lehrerzimmer oder auf dem Pausenhof. Einige dieser Themen sind besonders komplex und vielschichtig, polarisieren und werden bisweilen sehr emotional und kontrovers diskutiert. Lehrkräfte stehen dabei im Besonderen vor der Aufgabe, diese Themen und deren Auswirkungen aufzunehmen, im Unterricht zu bearbeiten oder im täglichen Schulleben damit umzugehen. Insbesondere der Umgang mit eigenen Positionierungen, aber auch der Umgang mit Äußerungen anderer kann vor dem Hintergrund des oftmals von vielen Seiten angeführten Neutralitätsgebotes für Lehrkräfte eine besondere Herausforderung darstellen.

Und nicht nur das: Die Entwicklungen der vergangenen Monate und Jahre haben dazu geführt, dass politische und gesellschaftliche Auseinandersetzungen an manchen Stellen mit größerer Härte, vor allem im Internet, dort besonders in den sozialen Netzwerken, geführt werden. Menschen, die ihre Meinung offen äußern, wird dabei zum Teil nicht einfach nur widersprochen, vielmehr werden sie bisweilen zu Opfern von Hetzkampagnen oder sie werden bedroht und öffentlich eingeschüchtert – all dies mit dem Ziel, sie daran zu hindern, ihre Meinung zu äußern. Das erschüttert die Grundfeste unserer Demokratie, unserer Verfassung und der Gesellschaft im Ganzen, die von der regen Beteiligung und dem aktiven Einbringen jeder und jedes Einzelnen und dem gegenseitigen Respekt voreinander lebt. Auseinandersetzungen werden dabei so manches Mal nicht mit dem Ziel von Verständigung und Ausgleich geführt, sondern zur Durchsetzung der eigenen Meinung. Lehrkräfte und Schulgemeinschaften wurden und werden mitunter in solche Auseinandersetzungen hineingezogen und dann ebenfalls Opfer von Hetze und Einschüchterung.

Natürlich, und das wissen Sie alle nur zu gut, ist Schule ein Ort, an dem Diskussionen stets Regeln unterliegen, und dies gilt besonders auch für Lehrkräfte und Schulleitungen. Dies kann in der jetzigen Zeit und unter den aktuellen Umständen eine besondere Herausforderung darstellen, die nicht leicht zu bewältigen ist. Deshalb wollen wir Ihnen einerseits den Rücken stärken und andererseits eine Orientierung geben. Klar ist: Die bestehenden Regeln dienen dem Schutz der Schülerinnen und Schüler vor unangemessener und überfordernder Beeinflussung. Der „Beutelsbacher Konsens“1 zeigt eine klare Richtung auf: Es ist nicht erlaubt, die Schülerinnen und Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne „erwünschter“ Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbstständigen Urteils zu hindern (das sogenannte „Überwältigungsverbot“). Zudem gilt: Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen und verschiedene Perspektiven und Standpunkte müssen zur Geltung gelangen. Nur auf Basis dieser Prinzipien können Schülerinnen und Schüler zu eigenständigen Urteilen gelangen. Im Rahmen dieser Prinzipien können Lehrkräfte selbstverständlich auch ihre politische oder weltanschauliche Meinung äußern, müssen diese jedoch als das kennzeichnen, was sie ist, nämlich eine persönliche Haltung.

Parteipolitische Werbung oder Warnung vor demokratisch legitimierten Parteien ist Lehrkräften in der Schule untersagt. Daher dürfen sie dort beispielsweise weder zu parteipolitischen Veranstaltungen einladen noch zu Demonstrationen für oder gegen politische Parteien bzw. zur Teilnahme daran aufrufen. Auch dürfen keine demokratisch legitimierten Parteien von Veranstaltungen ausgeschlossen werden. Schülerinnen und Schüler dürfen wegen ihrer eigenen politischen Meinung selbstverständlich auch in keinster Weise benachteiligt werden.

Diese Regeln werden jedoch bisweilen (und manchmal auch bewusst verfälschend) als ein striktes Neutralitätsgebot interpretiert, als sei es Lehrkräften untersagt, eine eigene Meinung zu haben, diese zu vertreten und vor allem aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands einzustehen. Das Gegenteil ist der Fall: Tatsächlich ist es sogar die dienstliche Pflicht für Beamtinnen und Beamte, für die Erhaltung dieser Grundordnung einzutreten. Deswegen ist es legitim, darauf hinzuweisen, dass Demonstrationen stattfinden und über sie zu informieren, wenn sie sich ausdrücklich für die Stärkung des demokratischen Rechtsstaates und gegen dessen Zerstörung richten.

Nun sind die Konflikte und Auseinandersetzungen, über die derzeit öffentlich diskutiert wird, alles andere als unkompliziert. Deswegen versuchen einige, diese Konflikte auf ein einfaches Freund-Feind-Schema zu reduzieren, um ihr teilweise aggressives und antidemokratisches Verhalten zu rechtfertigen. Vernunftgesteuerte Diskussionen werden teils ersetzt durch verbale oder sogar körperliche Übergriffe. Dem gilt es vorzubeugen, auch und gerade an den Schulen.

Deswegen ist das entschiedene Eintreten gegen Aussagen und Handlungen, die mit Demokratie, Freiheit und Menschenrechten nicht vereinbar sind, umso wichtiger. Die Kultusministerkonferenz hat dies in einem Beschlussso formuliert: „Dies bedeutet nicht, dass jede Position akzeptiert werden muss oder alle Positionen in gleicher Weise gelten. Wenn Schülerinnen und Schüler in einer Diskussion Standpunkte äußern, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und den Menschenrechten nicht vereinbar sind, dürfen Lehrerinnen und Lehrer diese keinesfalls unkommentiert oder unreflektiert lassen. (…) Voraussetzung für die Umsetzung des Beutelsbacher Konsenses ist somit eine Grundrechtsklarheit und ein entsprechendes Selbstbewusstsein der Lehrkräfte.“ Dies gilt für den Unterricht wie für das gesamte Schulleben gleichermaßen, etwa auf dem Schulhof oder bei Elterngesprächen.

In diesem Sinne möchten wir Sie hiermit ermutigen: Lassen Sie sich nicht einreden, Sie als Lehrkräfte seien zu einer meinungslosen und wertelosen Neutralität verpflichtet. Niemand erwartet von den Schulen, dass sie alle Probleme dieser Welt lösen – und wir erwarten dies auch nicht von unseren Lehrkräften. Es geht darum, Haltung zu zeigen – und wir wissen, dass unsere Lehrkräfte das tun. Ergreifen auch Sie aktiv und bestimmt Partei für unser Gemeinwesen und seine demokratische Grundordnung und helfen Sie damit, diese gegen Angriffe – von welcher Seite auch immer – zu verteidigen. Für Extremismus, Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus, Hass und Hetze oder Angriffe auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung – egal aus welcher Richtung und mit welcher Begründung – ist an rheinland-pfälzischen Schulen kein Platz. Und wenn Sie sich wegen Ihres Eintretens für demokratische Werte Einschüchterungsversuchen ausgesetzt sehen, dann wenden Sie sich gerne an die zuständigen Schulfachreferentinnen und -referenten der ADD, von denen Sie Beratung, Begleitung und Unterstützung erhalten.

Die Demokratie und unser freiheitliches Gemeinwesen sind auf Ihren Einsatz und Ihre Unterstützung angewiesen. Wir danken Ihnen hierfür sehr.

Herzliche Grüße

Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung

Bettina Brück,  Staatssekretärin für Bildung

Thomas Linnertz, Präsident Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion

Dr. Birgit Pikowsky, Direktorin Pädagogisches Landesinstitut

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1 Im Wortlaut zu finden beispielsweise auf https://www.bpb.de/die-bpb/ueber-uns/auftrag/51310/beutelsbacher-konsens/.

2 KMK-Beschluss vom 06.03.2009 i. d. F. vom 11.10.2018: Demokratie als Ziel, Gegenstand und Praxis historischpolitischer Bildung und Erziehung in der Schule.