Bildung in der digitalen Welt - Der Beitrag des katholischen Religionsunterrichts

Der Beitrag des katholischen Religionsunterrichts zur digitalen Bildung leitet sich zunächst einmal aus seinem Spezifikum innerhalb des Fächerkanons ab. Er eröffnet einen ganz eigenen Modus der Welterschließung (Jürgen Baumert), indem er die Probleme konstitutiver Rationalität thematisiert. Das bedeutet: „Religionsunterricht fragt nach den Grenzen des Wissbaren und nach der Plausibilität und Tragfähigkeit von Weltdeutungen und Sinnantworten.“ (Richtlinien zur Umsetzung des Rahmenlehrplans Katholische Religion für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf). Religionsunterricht versteht sich „als integraler Teil allgemeiner Bildung. Dabei berücksichtigt er die heutige religiöse Sozialisation, die in einem pluralen Umfeld stattfindet.“ (Lehrplan Evangelische Religion, Gymnasiale Oberstufe).  Er erschließt Schülerinnen und Schülern „den spezifischen religiösen Weltzugang, der durch keinen anderen Modus der Welterfahrung ersetzt werden kann“ (Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts. Empfehlungen für die Kooperation des katholischen mit dem evangelischen Religionsunterricht.). Von dieser Grundausrichtung des Religionsunterrichts her ergeben sich seine spezifischen Aufgaben für die Bildung in der digitalen Welt.

Die in der digitalen Welt zu erwerbenden Kompetenzen lassen sich in zwei Kategorien einteilen. „Einerseits bietet Bildung mit digitalen Medien in didaktischer Hinsicht ganz neue Möglichkeiten. Andererseits ist Medienbildung für einen menschendienlichen und verantwortlichen Umgang mit digitalen Medien unerlässlich. Denn Kommunikation mit digitalen Medien stellt in neuer Weise eine Herausforderung für unsere Werte und Normen dar.“ (Medienbildung und Teilhabegerechtigkeit. Impulse der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz zu den Herausforderungen der Digitalisierung), Diese Kategorisierung lässt sich noch weiter ausdifferenzieren in Medienbildung technisch-anwendungsbezogen (vgl. Haus der digitalen Bildung), Medienbildung sozial-ethisch und in digitale Bildung als Befähigung zur Wahrnehmung des Revolutionären (Veränderung der Grundlagen von Sozialität, Wahrnehmung, …). Dabei fallen vor allem die Medienbildung sozial-ethisch und die digitale Bildung als Befähigung zur Wahrnehmung des Revolutionären in den Verantwortungsbereich des Religionsunterrichts, obwohl dieser selbstverständlich auch die Medienbildung technisch-anwendungsbezogen in seine didaktischen Konzepte einbezieht.

Welches sind nun die Kompetenzen, die speziell im Religionsunterricht ausgebildet werden? Unter den im Strategiepapier der Kultusministerkonferenz genannten „Kompetenzen in der digitalen Welt“ erweisen sich einige als für den Religionsunterricht besonders relevant. Es können zwei Bereiche von Kompetenzen unterschieden werden: Einerseits solche, die sich auf die Deutung oder auch Umdeutung von Weltbildern beziehen, andererseits Kompetenzen einer auf dem christlichen Menschenbild basierenden Moral, die durch die Digitalisierung der Lebenswelt verstärkt eingefordert werden oder an besonderer Brisanz gewinnen.

Umgang mit Weltdeutungen

Welt als solche gibt es nicht. Welt existiert für den Menschen immer nur als gedeutete. Weltbilder zu analysieren, ihren Wahrheitsgehalt und ihre Grenzen zu reflektieren, ist eine der Grundaufgaben des Religionsunterrichts. Das Mit- und Gegeneinander verschiedener religiöser und säkularer Weltbilder bekommt durch die Digitalisierung zunehmende Dynamik, die es zu erkennen und für den eigenen Standpunkt und die eigene Identitätsentwicklung zu bewerten gilt.

Es ist eine besondere Fähigkeit des Menschen, im Geist neue Welten erschaffen zu können. Kunst und Literatur legen davon Zeugnis ab; ebenso die literarischen und künstlerischen Ausdrucksformen in den Religionen. Schon immer sind damit auch Wertsetzungen und Wahrheitsansprüche verbunden. Eine besondere Herausforderung in der digitalen Welt besteht darin, dass die Wirkmacht des Virtuellen verstärkt erfahrbar ist. Schülerinnen und Schüler müssen vermehrt damit umgehen, dass Realität nicht nur von Materialität beeinflusst wird, sondern auch von Virtualität. Die Frage nach Wahrheit und Wirklichkeit wird neu akzentuiert.

Schülerinnen und Schüler müssen dazu befähigt werden, Gestaltungsprinzipien und Wirkungsmechanismen erkennen, durchschauen und beurteilen zu können. Sie sollen die Chancen und Risiken digitaler Umgebungen in einer Welt des religiösen und weltanschaulichen Pluralismus benennen und einschätzen und für die eigene Lebensgestaltung nutzen, indem sie die Potenziale der Digitalisierung für die eigene Weiterentwicklung, für soziale und politische Teilhabe reflektieren und dem eigenen Handeln zugrunde legen.

Konkret bedeutet dies für den Religionsunterricht z.B.,

  • dass die Schülerinnen und Schüler mediale Konstrukte, Stars, Idole, Computerspiele, mediale Gewaltdarstellungen u.Ä. analysieren und konstruktiv damit umgehen können.
  • dass die mit der Vielfalt und Unüberschaubarkeit in der digitalen Welt verbundenen neuen Kontingenzerfahrungen als existentiellen Erfahrungen wahrgenommen und thematisiert werden.
  • dass die neuen Möglichkeiten genutzt werden, andere Religionen in ihrer Vielfalt und authentisch zu Wort kommen zu lassen, und so Bedeutung und Tragweite von Begriffen wie Religionsfreiheit und Toleranz intensiv erfahrbar werden.
  • dass quasireligiöse Funktionen der Medienkultur8 entlarvt und tragfähige Standpunkte gefunden werden. Zentraler theologischer Bezugspunkt ist dabei die Botschaft vom Gott der Bibel, der in die Freiheit führt.
Christliche Moral

Der Maßstab ethischer Entscheidungen in der digitalen Welt wird im Religionsunterricht durch das christliche Menschenbild vorgegeben. „Im Kern steht die Personalität, die unveräußerliche Würde jedes einzelnen Menschen als Ebenbild Gottes. Die Gestaltung der Möglichkeiten der Digitalisierung muss sich daran messen lassen, ob sie den Menschen als Subjekt behandelt und nicht als bloßes quantifizierbares Objekt“ (Medienbildung und Teilhabegerechtigkeit), und zwar sowohl in der eigenen Person als auch im Anderen. Hier geht es vor allem darum, Folgen für Gesundheit und Umwelt einschätzen zu können sowie reflektiert, verantwortungsbewusst und nachhaltig handeln zu können.
Konkret bedeutet dies z.B. 

  • die Einübung respektvollen und adressatengerechten Interagierens , um kulturelle Vielfalt zu berücksichtigen und seine Kommunikation der jeweiligen Umgebung anpassen zu können. Der Religionsunterricht leistet hier seinen Beitrag durch die Vermittlung religiöser Wahrnehmungskompetenz und der religiösen Diskursfähigkeit.
  • die Vermittlung der Prinzipien christlicher Soziallehre als Weg zu verantwortungsbewusstem Handeln. z.B. im Bereich der Umweltauswirkungen digitaler Technologien

Zuordnung der „Kompetenzen in der digitalen Welt“ (Strategie der Kultusministerkonferenz zur digitalen Bildung, 2017) zu den Themenfeldern des Rahmenlehrplans Katholische Religion SI

Kompetenzen in der digitalen WeltThemenfelder des Lehrplans Katholische Religion

Problembewusst und sicher agieren: Chancen und Risiken digitaler Umgebungen bennenen und einschätzen

6.1 Entscheidungen treffen: Gut und Böse

7.1 Protestieren und Aufbegehren: Prophetisches Handeln

7.2 Vom Umgang mit Freiheit: Gebot und Gewissen

Problembewusst und sicher agieren: Folgen für Gesundheit und Umwelt einschätzen, reflektiert, verantwortungsbewusst und nachhaltig handeln

6.1  Entscheidungen treffen: Gut und Böse

7.2  Vom Umgang mit Freiheit: Gebot und Gewissen

9.2  Nach Gerechtigkeit streben: Gleiche Lebensbedingungen für alle

Analysieren und Reflektieren: Gestaltungsprinzipien und Wirkungsmechanismen erkennen, durchschauen und beurteilen

9.2  Nach Gerechtigkeit streben: Gleiche Lebensbedingungen für alle

10.2 Dem Zeitgeist widerstehen: Kirche und Diktatur

Analysieren und Reflektieren: Die Potenziale der Digitalisierung für die eigene Weiterentwicklung, für soziale und politische Teilhabe reflektieren und dem eigenen Handeln zugrunde legen

5.1  Unsere Anfänge: Väter und Mütter des Glaubens

6.3  Von einer besseren Welt erzählen: Das Reich Gottes

8.1  Die Welt verstehen: Naturwissenschaft und Mythen

Analysieren und Reflektieren: Die Rolle der Medien im eigenen Leben und ihren Einfluss auf das Konsumverhalten und soziale Miteinander bewerten

6.2  Leben mit anderen Religionen: Was die abrahamitischen Religionen verbindet

7.1  Protestieren und Aufbegehren: Prophetisches Handeln 

10.2 Dem Zeitgeist widerstehen: Kirche und Diktatur

Kommunizieren und Kooperieren: Verhaltensregeln einhalten, respektvoll und adressatengerecht interagieren

6.1  Entscheidungen treffen: Gut und Böse

7.2  Vom Umgang mit Freiheit: Gebot und Gewissen

6.2  Leben mit anderen Religionen: Was die abrahamitischen Religionen verbindet

9.1  Beziehungen gestalten: Freundschaft – Liebe – Partnerschaft

Kommunizieren und Kooperieren: Selbstbestimmt und verant-wortungsbewusst an privaten und gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen teilnehmen

6.2  Leben mit anderen Religionen: Was die abrahamitischen Religionen verbindet

7.1  Protestieren und Aufbegehren: Prophetisches Handeln 

10.2 Dem Zeitgeist widerstehen: Kirche und Diktatur