"Antisemitismus ist keine Meinung. Feindlichkeit gegenüber jüdischen Menschen und jüdischem Leben ist Ausdruck von Menschenverachtung und eine Missachtung von Menschenwürde und Menschenrechten. Deshalb ist und bleibt es wichtig, sich latenten und offenen Antisemitismus stets bewusst zu machen und dagegen klar Stellung zu beziehen - im Alltag, im persönlichen Lebensumfeld und natürlich auch in der Schule." Mit diesem Appell begrüßte Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig über 100 Lehrkräfte zur Fachtagung "Position beziehen gegen Menschenfeindlichkeit" am 18. März 2024 im Weiterbildungszentrum Ingelheim. Zu der Veranstaltung hatten das Ministerium für Bildung und das Pädagogische Landesinstitut eingeladen.
"Die Terroranschläge der Hamas am 7. Oktober 2023 und das Leid der Menschen in Israel und in Gaza lösen Entsetzen und tiefe Trauer aus. Israelbezogener Antisemitismus tritt seither leider auch in Deutschland vermehrt und vielfach erschreckend offen in der Gesellschaft zutage. Auch die Schulen als Spiegel des öffentlichen Lebens bleiben davon nicht verschont. Wir wissen um die großen Herausforderungen, vor denen Schulen und Lehrkräfte stehen, wenn der komplexe und hoch emotionale Nahostkonflikt auch in deutschen Klassenzimmern ausgetragen wird," so Hubig weiter. "Als Land stärken wir unseren Lehrkräften, die das Thema engagiert aufgreifen, den Rücken und ermuntern sie, dieses mit einer klaren Haltung und demokratischen Werten im Unterricht anzugehen."
Entsprechend stellte die Fachtagung die brennenden Fragen und dazugehörige Antworten und Handlungsansätze in den Mittelpunkt: Wie können Lehrkräfte in dieser Situation angemessen handeln? Wie kann die Schulgemeinschaft klar Position beziehen? Wie kann kurz-, aber auch langfristig auf israelbezogenen Antisemitismus reagiert werden? Und wie auf Muslimfeindlichkeit?
Die einführenden Worte von Ministerin Hubig und Monika Fuhr, Beauftragte der Ministerpräsidentin für jüdisches Leben und Antisemitismusfragen in Rheinland-Pfalz, sowie das weitere Vormittagsprogramm konnten interessierte Personen nach Anmeldung zur hybrid angelegten Veranstaltung auch via Livestream verfolgen. Die Impulse, Keynotes und das Podiumsgespräch zielten darauf, Lehrkräfte im Umgang mit Antisemitismus im Schulkontext zu unterstützen und ihnen Handlungsoptionen zu vermitteln. Sie eröffneten Möglichkeiten der Erweiterung fachlicher Kompetenz und Gelegenheit zu eigener Auseinandersetzung im Kontext der Prävention von Antisemitismus.
Dr. Marc Grimm, Lehrstuhl für Didaktik der Sozialwissenschaften an der Bergischen Universität Wuppertal, forscht zu Bedingungen jugendlicher Sozialisation und zur Ausbildung von Einstellungen und Dispositionen im Kindes- und Jugendalter sowie insbesondere zu Möglichkeiten der Aufklärung und Prävention von Antisemitismus. Dr. Grimm erläuterte einen multiperspektivischen und kontroversen Zugang im unterrichtlichen Kontext und die Wichtigkeit, die Perspektive der Schülerinnen und Schüler aufzugreifen, aber auch die Verantwortung der Lehrkräfte und die Notwendigkeit, an Schulen Strukturen im Kontext von Prävention und Intervention zu schaffen.
Auf seinen Vortrag folgte als zweite Rednerin Anna Staroselski, Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e.V., die sich für eine sichere Zukunft jüdischen Lebens in Deutschland engagiert. In Vorträgen und Gesprächsrunden wie heute berichtet sie aus ihrer Perspektive als Betroffene mit Blick auf Erfahrungen in Schule und Universität, auf jüdische Identitäten und jüdisches Leben heute. Sie fordert, dass Lehrerinnen und Lehrer Spezialisten für Antisemitismus sein müssten und plädiert unter anderem am Beispiel der "Schulen ohne Rassismus - Schulen mit Courage" für die Etablierung nachhaltiger Maßnahmen über die heutige Fokussierung aus Aktualitätsgründen hinaus. Für das anschließende Podiumsgespräch mit Dr. Grimm, Anna Staroselski sowie Magnus Tjiang, Mitglied im Vorstand der Landeschüler*nnenvertretung Rheinland-Pfalz, wurde zudem Gunda Trepp digital zugeschaltet. Gunda Trepp gründete die Leo Trepp Stiftung, deren Ziel es ist, das Wissen über jüdisches Leben und Denken in der Bevölkerung zu vertiefen.
Darüber hinaus bildeten sieben vertiefte Einblicke am Nachmittag sowie der Austausch einen weiteren Schwerpunkt der hybrid angelegten Tagung. In zwei Arbeitsphasen konnten die Teilnehmenden konkrete Beispiele für die Unterrichtsarbeit, Initiativen, Projekte und Projektträger kennenlernen und erproben: Die Bildungsstätte Anne Frank und das jüdisch-muslimische Bildungswerk Maimonides stellten zum Beispiel Konzepte vor, Jugendliche zu sensibilisieren und Begegnung zu ermöglichen. Die Analyse von Lehrwerken, das Kennenlernen von aus der Bildungsforschung entwickelten Materialien und die Unterstützungsangebote des Pädagogischen Landesinstituts adressierten zudem den Bedarf für die tägliche pädagogische Arbeit. Möglichkeiten, Begegnungen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen im Unterricht digital zu integrieren, und Strategien gegen Antisemitismus im Netz standen ebenso auf der Agenda wie die Frage nach Handlungsoptionen gegen islamisch verbrämten Antisemitismus, welche Dr. Muhammad Sameer Murtaza vom Jüdisch-muslimischen Bildungswerk Maimonides mit den Teilnehmenden entwickelte.