Psychische Erkrankungen

Im Folgenden werden einige chronische Erkrankungen beschrieben, die als psychische Erkrankungen erfasst werden (nach dem ICD-10/WHO- Klassifikationsschema). Dabei erfolgte die Auswahl nach den Kriterien der Häufigkeit und/oder der besonderen Bedeutung für den Schulalltag.
Psychisch erkrankte Schülerinnen und Schüler haben die gleichen Wünsche und Bedürfnisse wie andere auch, sehnen sich nach Anerkennung, sinnvoller Beschäftigung und nach liebevollen Begegnungen. Gleichzeitig reagieren sie sehr empfindsam auf ihre Umwelt mit den alltäglichen Belastungen und leiden besonders stark unter den Vorurteilen der Mitmenschen und unter sozialer Ausgrenzung. Diese Stigmatisierung wirkt häufig wie eine zweite Erkrankung.
Dabei kann gerade die Schule eine Instanz sein, die betroffenen Kindern und Jugendlichen Halt gibt und sie stärkt. Information und Sensibilisierung der Lehrkräfte für die eigene Wahrnehmung und die Bedürfnisse der erkrankten Schülerinnen und Schüler ist hierfür Voraussetzung.

psychNAVi Rheinland-Pfalz

Das psychNAVi Rheinland-Pfalz fasst das psychiatrisch-psychotherapeutische Hilfesystem (Angebote, Unterstützungsmöglichkeiten) in ganz Rheinland-Pfalz zusammen. 

Die Aufmerksamkeits-Defizit-Störung (ADS) bzw. Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine bereits im Kindesalter beginnende psychische Störung, die sich durch Probleme mit der Aufmerksamkeit sowie Impulsivität und häufig auch Hyperaktivität bemerkbar macht.
Durch ihre schweifende Aufmerksamkeit und verminderte Konzentrationsfähigkeit haben Kinder mit AD(H)S häufig Schulprobleme und Schwierigkeiten, sich in ihr soziales Umfeld zu integrieren. Etwa 3-5% (300.000 - 500.000) der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind davon betroffen, Jungen deutlich häufiger betroffen als Mädchen. Mit entsprechender Förderung können die Kinder die Ausprägungen von AD(H)S jedoch mindern bzw. kompensieren. Die Therapie bei ADHS gliedert sich dabei meist in drei Elemente: Elterntraining, Verhaltenstherapie und Medikamentengabe.

AD(H)S im Schulalltag
Das Erscheinungsbild von AD(H)S ist sehr unterschiedlich. Schülerinnen und Schüler mit dieser Erkrankung stellen oft sehr hohe Anforderungen an Lehrkräfte und Mitschülerinnen und Mitschüler. Doch auch sie selbst leiden unter ihrem Verhalten. Ständige Ermahnungen, Sanktionen und Misserfolgserlebnisse schwächen das Selbstwertgefühl und führen u.U. zur sozialen Isolation. Durch die begrenzte Aufmerksamkeitsspanne können sie dem Unterricht nicht lange konzentriert folgen.
Eine konkrete, auf den Einzelfall bezogene Beratung ist für eine umfangreiche Förderplanung mit allen Beteiligten (Lehrkräfte, Eltern, außerschulische Hilfen) erforderlich.

Informationen und Materialien:

  • Website ADHS Deutschland e.V.
    Das Bundesweite Netzwerk zur Verbesserung der Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit ADHS hat auf der Homepage einen extra Unterpunkt mit Informationen speziell für Lehrkräfte eingerichtet. Außerdem wurde ein Eckpunktepapier (pdf-Datei) erstellt, welches in 16 Punkten Auswirkungen von ADHS in der Schule formuliert.
  • Website ADHS Infoportal
    Viele Informationen und Anregungen für Lehrkräfte, die ein ADHS-betroffenes Kind in der Klasse haben. Fachmediziner und Pädagogen haben gemeinsam Unterrichtsmethoden und Übungen entwickelt, die auf die Bedürfnisse des Kindes zugeschnitten sind.
  • Broschüre ADHS - Symptome, Diagnose, Behandlung der BZgA
    Die Broschüre informiert umfassend und sachlich über das Krankheitsbild ADHS. Sie richtet sich neben Eltern, die den Verdacht haben, dass ihr Kind unter ADHS leiden könnte, auch an Kita-Fachkräfte sowie Lehrerinnen und Lehrer. Auch Eltern, die bereits eine Diagnose für ihr Kind haben, sind angesprochen.
  • Website der ärztlichen Arbeitsgemeinschaft ADHS
    Die AG ADHS ist eine Arbeitsgemeinschaft von Kinder- und Jugendärzten, die Kinder und Jugendliche mit ADHS betreuen. Mit einer Leitlinie werden Empfehlungen gegeben, wie ADHS diagnostiziert und wie in der individuellen Situation der Patienten die Therapie gestaltet werden sollte. Dies soll auch zur Qualitätssicherung und Vereinheitlichung der Vorgehensweise beitragen.
  • Website zentrales ADHS-Netz des Universitätsklinikums Köln
    Hier werden Informationen, Konzepte, Materialien und Literaturhinweise für pädagogisch Tätige im vorschulischen und schulischen Arbeitsfeld zur Verfügung gestellt.
  • Website des Vereins TOKOL e.V.
    Zweck des bundesweiten, gemeinnützigen Vereins ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung, Bildung und Erziehung und der Jugendhilfe, im Themenkreis des AD(H)S-Spektrums, Asperger-Autismus und Hochbegabung. Der TOKOL e.V. setzt sich für mehr Akzeptanz und die bessere Integration Betroffener in die Gesellschaft ein.
  • Leitfaden ADS / ADHS (pdf-Datei)​​​​​​​
    Weitere hilfreiche Empfehlungen und Informationen für Patienten und Angehörige zu ADS/ADHS finden sich in diesem Leitfaden des Hamburger Arbeitskreises (HAK).

Auch als "emotional instabile Persönlichkeitsstörung" bezeichnet. Mediziner nahmen an, dass sich die Störung im Grenzbereich (engl. borderline) zwischen Neurose und Psychose bewegt. Viele Betroffene zeigten psychotische Symptome wie z.B. Verfolgungswahn. Gekennzeichnet ist Borderline durch eine Instabilität in der Stimmung, dem eigenen Selbstbild und in sozialen Beziehungen.

Das Leben von Borderline-Patienten wird von extremen Stimmungsschwankungen bestimmt. Besonders stark treten diese in jüngeren Jahren auf. Verschiedene Symptome können auftreten:

  • Bemühungen, Verlassenwerden zu vermeiden
  • instabile, aber intensive zwischenmenschliche Beziehungen
  • Impulsivität in mind. zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen
  • wiederkehrende suizidale Handlungen oder Selbstverletzung
  • affektive Instabilität
  • chronische Gefühle von Leere
  • Schwierigkeiten, Wut zu kontrollieren
  • Identitätsstörung
  • Dissoziative Symptome oder paranoide Vorstellungen

Borderline im Schulalltag
Symptome wie z.B. starke Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Schulabsentismus, Arbeitsverweigerung oder impulsive Handlungen können den Unterrichtsalltag negativ beeinflussen. Die für diese Erkrankung häufig typische mangelhafte Krankheitseinsicht erschwert den förderlichen Umgang mit den Betroffenen. Schülerinnen und Schüler mit Borderline scheitern daher oft aufgrund der Heftigkeit ihrer Symptome an den Alltagsanforderungen der Schule.
Eine enge Kooperation mit Eltern und Therapeuten ist unabdingbar.

Informationen und Materialien

Leichte depressive Verstimmungen bis hin zu schweren depressiven Störungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen, unter denen Kinder und Jugendliche leiden. Die Erkrankung kann bereits im Kindesalter beginnen, kann chronisch verlaufen und die psychosoziale Entwicklung erheblich beeinträchtigen.

Jeder zwanzigste Jugendliche (BELLA-Studie des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys) erkrankt bis zu seinem 18. Lebensjahr an einer behandlungsbedürftigen Depression. Sie beginnt meist in der späten Kindheit und dauert zwischen wenigen Wochen und mehreren Jahren. Drei von vier depressiven Patienten denken daran, sich umzubringen, etwa jeder siebte verstirbt durch Suizid. Jungen haben im Vergleich zu Mädchen ein dreimal so hohes Selbsttötungsrisiko.
Gedrückte Stimmung, Gereiztheit und Aggressivität, verminderte Energie, schnelle Ermüdung und Aktivitätseinschränkung, vermindertes Selbstwertgefühl, pessimistische Gedanken sind häufige Symptome. Das klinische Bild ist allerdings vielfältig.

Depression und Schule
Konzentrationsschwierigkeiten, Apathie und Müdigkeit führen in der Regel zu einer Verschlechterung der schulischen Leistungen. Dies kann verstärkt werden durch sozialen Rückzug, Suchtmittelmissbrauch und Suizidgedanken.
Eine Einbindung in die Klassengemeinschaft ist für Schülerinnen und Schüler mit Depressionen besonders wichtig. Co-therapeutische Funktionen sollten von Lehrkräften nicht übernommen werden, eine enge Kooperation mit Eltern, behandelnden Fachleuten und Schulpsychologen ist unabdingbar, besonders, wenn Selbsttötungsabsichten geäußert werden. Diese müssen immer ernst genommen werden.

Informationen und Materialien

Das Tourette-Syndrom (TS) ist eine neuropsychiatrische Erkrankung, die durch Tics charakterisiert ist. Bei den Tics handelt es sich um weitgehend unwillkürliche, rasche, meistens plötzlich einschießende Bewegungen, die immer wieder in gleicher Weise auftreten können, aber nicht rhythmisch sind und auch im Schlaf vorkommen können.

Zu den Symptomen gehören:

  1. sowohl muskuläre als auch vokale Tics. 
  2. das Auftreten von Tics mehrfach am Tag (gewöhnlich in Serien), fast jeden Tag oder immer wieder über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr;
  3. periodische Wechsel hinsichtlich Häufigkeit, Art und Lokalisation der Tics wie auch hinsichtlich des Zu- und Abnehmens ihrer Ausprägung. Die Symptome können manchmal für Wochen oder Monate verschwinden, aber auch unvermutet wieder auftreten.
  4. Die Erkrankung beginnt fast immer vor dem 18. Lebensjahr.

Tourette-Syndrom im Schulalltag
Kinder mit einem TS besitzen in etwa die gleichen geistigen Leistungsfähigkeiten wie andere Kinder ihres Alters, manchmal sind sie sogar überdurchschnittlich intelligent. Dennoch haben viele Kinder mit einem TS Lernschwierigkeiten. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass etwa 50% der Kinder mit einem TS auch von einem Hyperkinetischen Syndrom betroffen sind. Hier muss für jedes einzelne Kind eine passende Lösung gefunden werden. 

Die Schulprobleme durch die Tics können unterschiedlich sein. Unter Stress (z.B. bei Klassenarbeiten) nehmen sie meistens zu. Da Schülerinnen und Schüler mit TS von sozialer Ausgrenzung bedroht sind, ist eine besonders sensibler Umgang mit der Erkrankung in der Schulgemeinschaft erforderlich (Antistigmaarbeit).

Informationen und Materialien