Checkliste zur Aufsichtspflicht

bei der schulischen Nutzung des Internet

mit Vorgehen zur Prävention und Intervention und Prüfung Verhältnismäßigkeit

Auch wenn sich das Internet für Recherchearbeiten hervorragend anbietet, ist bei der Einbindung in den Unterricht auf ausreichenden Schutz für Schülerinnen und Schüler zu achten. Werden rechtswidrige Seiten aufgerufen oder unangemessene Inhalte verlinkt, kann dies in einzelnen Fällen zur Jugendgefährdung führen.

Lehrkräfte sind daher im Rahmen der Aufsichtspflicht verpflichtet, Schülerinnen und Schüler angemessen zu beaufsichtigen und vor gefährdenden Eingriffen zu schützen. Dies ergibt sich aus § 36 Schulordnung für die öffentlichen Realschulen plus, Integrierten Gesamtschulen, Gymnasien, Kollegs und Abendgymnasien - Übergreifende Schulordnung sowie aus den anderen Schulordnungen (§ 21 Schulordnung für die öffentlichen Grundschulen, § 22 Schulordnung für die öffentlichen berufsbildenden Schulen und § 25 Schulordnung für die öffentlichen Sonderschulen). Einen besonderen Einfluss haben in diesem Zusammenhang die sozialen Medien. Nicht erst durch die Corona-Pandemie ist ihre Nutzung fest im Leben der Heranwachsenden integriert. Schülerinnen und Schüler tauschen sich aus, schauen Videos, spielen gemeinsam, kommunizieren im Netz und verbringen sehr viel Zeit in sozialen Medien.

Hinweis zur Nutzung dieser Vorlage durch Ihre Schule:

Mit dieser Checkliste möchten wir einen Maßnahmenkatalog zum Thema Aufsichtspflichten zur Verfügung stellen, um die Arbeit der Lehrkräfte zu erleichtern und einen Überblick über die wichtigsten Punkte zu geben. Machen Sie Ihr Kollegium durch die Weitergabe des Links auf diese Seite aufmerksam.

Quellenangabe: schulemedienrecht.rlp.de, zugegriffen am [Datum], CC BY 4.0 Pädagogisches Landesinstitut RLP

Vorgehen zur Prävention

Schulen sollten die ersten Vorkehrungen zum Schutz vor jugendgefährdenden Inhalten treffen, bevor Schülerinnen und Schüler das erste Mal freien Zugang zum Internet erhalten.

Technische Maßnahmen

Um der Aufsichtspflicht der Schule gerecht zu werden, sind Filterprogramme zu installieren, um rechtswidrigen und gefährdenden Inhalten gar nicht erst Zugang in die Systeme der Schule zu ermöglichen. Außerdem muss immer eine regelmäßige Aktualisierung von Programmen, Firewalls und Software sichergestellt werden. Siehe im Einzelnen hierzu Baustein 2.1 - Verwaltung der PC-Hardware und Mobile Device Management und Baustein 2.4 - Schülereigene mobile Endgeräte.
Zu beachten ist jedoch: Auch Filterprogramme bieten keinen hundertprozentig zuverlässigen Schutz. Es gibt immer wieder Schülerinnen und Schüler die in der Lage sind, Sperren zu umgehen oder Sicherheitsstufen herunterzusetzen. Daher ist es nie vollkommen auszuschließen, dass trotz der Sicherheitsvorkehrungen jugendgefährdende Inhalte verbreitet werden. •

Datenschutz

Bei allen technischen Schutzmaßnahmen muss das grundgesetzlich verankerte Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz) gewahrt werden. Schülerinnen und Schüler müssen vorab informiert werden, inwieweit die eigene Internet- und E-Mail-Nutzung durch Lehrkräfte überprüft werden kann. Eine längerfristige Aufzeichnung des Internetverhaltens darf es nicht geben. So darf eine Lehrkraft beispielsweise nicht die privaten Nachrichten (falls deren Abruf zugelassen ist) ihrer Schülerinnen und Schüler überwachen. Weitere Hinweise zu Nutzungsregeln enthält in die Muster-Nutzungsordnung der Informations- und Kommunikationstechnik.

Selbstschutz

Eine wichtige Präventionsmaßnahme ist die Stärkung des Selbstschutzes der Schülerinnen und Schüler. Sie sollen lernen, Gefahren zu erkennen und Verantwortungsbereitschaft zu entwickeln. Im Vordergrund sollte hier die Sensibilisierung für jugendbeeinträchtigende Inhalte stehen. Schülerinnen und Schüler sollen lernen, Medien kritisch zu beurteilen und einen eigenen, verantwortungsvollen Umgang zu entwickeln. Deshalb sollte die Internetnutzung, insbesondere in der Grund- und Orientierungsstufe, von entsprechenden schulischen, aber auch außerschulischen Angeboten begleitet werden. Im Rahmen des Landesprogramms „Medienkompetenz macht Schule“ werden entsprechende Konzepte zum Jugendmedienschutz an Schulen entwickelt und Veranstaltungen für Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern angeboten. Ebenso bietet sich die Nutzung des rheinland-pfälzischen MedienkomP@ss an, der die Schülerinnen und Schüler über alle Klassenstufen begleitet und den Erwerb der notwendigen Kompetenzen fördert und dokumentiert.

Nutzungsordnung der Informations- und Kommunikationstechnik

Es ist unerlässlich, die explizite Zustimmung von Schülerinnen und Schüler zu einer Nutzungsordnung einzuholen. Diese Nutzungsordnung der Informations- und Kommunikationstechnik sollte

  • einen weit gefassten Geltungsbereich haben. Das heißt, sie sollte sowohl die schulische Nutzung der Medien umfassen, als auch für den Distanzunterricht gelten – und hierbei auch dann, wenn nur einzelne Schülerinnen und Schüler zugeschaltet sind.
  • eine missbräuchliche Verwendung der Informations- und Kommunikationstechnik (wie z. B. heimliche Aufzeichnungen) sowie die Umgehung der technischen Maßnahmen verbieten.
  • die Weitergabe von Zugangsdaten für das WLAN, das Schulportal oder zu Videokonferenzen an Dritte untersagen.
  • festhalten, dass Inhalte nicht gespeichert werden dürfen, es sei denn, die Lehrkraft fordert ausdrücklich dazu auf.
  • klar benennen, welche Sanktionen bei welchen Verstößen zu befürchten sind.

Zudem sollte durch Monitoring oder andere geeignete Maßnahmen gewährleistet werden, dass die Lehrkraft jederzeit die Möglichkeit hat, die aufgerufenen Internetseiten/-portale einsehen zu können. Weitere Hinweise enthält das Muster für eine Nutzungsordnung der Informations- und Kommunikationstechnik.

Aufsichtspflicht während der Schulzeit

  • Im Präsenzunterricht können Lehrkräfte von Notebook- oder Tablet-Klassen die Schülerinnen und Schüler durch Umhergehen und Stichproben kontrollieren. Sind Schülerinnen oder Schüler bereits in ihrem Internetverhalten negativ aufgefallen, so müssen diese besonders betreut werden.
  • Kommen Lehrkräfte unter Umständen nicht umhin - etwa im Geschichtsunterricht -über den Nationalsozialismus und heutige rechtsextreme Inhalte zu reden und entsprechende Inhalte im Internet aufrufen zu lassen, ist dies nach § 86 Abs. 4 Strafgesetzbuch möglich. Die Vorschrift besagt, dass es zulässig ist, solche Inhalte zu verwenden, wenn sie „(…) der Lehre, (…) über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient“.
  • Sollten im Rahmen der unterrichtlichen Internetnutzung jugendgefährdende Inhalte gefunden werden, können diese bei der staatlichen Stelle für die Beachtung des notwendigen Jugendschutzes in Informations- und Kommunikationsdiensten unter www.jugendschutz.net gemeldet werden. Rechtswidrige Seiten können außerdem beim Landeskriminalamt angezeigt werden.

Grenzen der Aufsichtspflicht

Lehrkräfte sind jedoch nicht unbeschränkt aufsichtspflichtig. Gibt es beispielsweise unangemessene oder jugendgefährdende Inhalte in einem Gruppen-Chat der Klasse, an dem eine Lehrperson nicht teilnimmt, kann sie auch ihre Aufsichtspflicht nicht ausüben. Erfährt sie jedoch von den Inhalten und stellt sie fest, dass die Inhalte den Klassenverband oder den Schulfrieden stören, wird es - nicht aus rechtlichen aber sicherlich aus pädagogischen Gründen - notwendig sein, diese Ereignisse aufzugreifen. Zum Einfluss von sozialen Netzwerken siehe Baustein 5.8 - Umgang mit Rechtsverletzungen in sozialen Medien.

Aufsichtspflicht im Distanzunterricht

Im Distanzunterricht über ein Schulportal oder ein Videokonferenzsystem muss ebenfalls sichergestellt werden, dass es keine unangemessenen Störungen oder jugendgefährdende Inhalte gibt. Vorkommnisse, in denen der Unterricht durch von Schülerinnen und Schülern oder Dritten hochgeladene unangemessene Bilder gestört wird, müssen im Rahmen der Aufsichtspflicht verhindert werden. Folgende Maßnahmen sollten ergriffen werden:

  • Einladungslinks zu Videokonferenzen sollten nicht veröffentlicht, sondern nur an die Schülerinnen und Schüler versendet werden.
  • Der Zutritt der Schülerinnen und Schüler zum virtuellen Konferenzraum ist zu kontrollieren. Dies kann durch ein Zugangs-Passwort erfolgen oder durch die Verwendung von Warteräumen. Die Einlassberechtigung sollte nur durch die Lehrkraft möglich sein.
  • Die Lehrkraft sollte die alleinigen Moderationsrechte im Konferenzraum haben. Das heißt:
    • Nur die Lehrkraft kann die Konferenz beginnen und beenden,
    • der Zutritt zum Konferenzraum ohne ihre Anwesenheit ist nicht möglich und
    • sie allein hat die Rechte, Teilnehmende aus der Konferenz auszuschließen sowie Mikrofon oder Kamera einzelner/aller Personen abzuschalten.

Verhältnismäßigkeit

Der Umfang der Aufsichtspflicht bestimmt sich nach dem Maß der Gefahr, dem Alter und dem bisherigen Verhalten der Schülerinnen und Schüler. Soll eine Grundschulklasse mit mitgebrachten Smartphones ohne geeignete Filterprogramme im Netz oder mit Apps arbeiten, hat eine Lehrkraft eine höhere Aufsichtspflicht als beispielsweise in einer Klasse der Jahrgangsstufe 11. Dabei beschränkt sich die Aufsichtspflicht zeitlich und räumlich auf den schulischen Bereich.

Es ist ebenfalls erforderlich, bei Überwachungshandlungen durch die Schule das Recht auf die informationelle Selbstbestimmung der Schülerinnen und Schüler zu beachten und Eingriffe anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abzuwägen.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besagt, dass die eingesetzten Maßnahmen (Überwachung der Schülerinnen und Schüler) zur Erreichung des angestrebten Erfolges (Schutz der Schülerinnen und Schüler) geeignet und erforderlich sein müssen. Außerdem darf der Eingriff in die Rechte der Schülerinnen und Schüler (informationelle Selbstbestimmung) nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache stehen. Hat sich beispielsweise eine einzelne Schülerin eine kostenpflichtige, aber ansonsten harmlose App aus dem Internet heruntergeladen, rechtfertigt dies allenfalls eine stichprobenartige, aber jedenfalls nicht die permanente Kontrolle dieser Schülerin. Erst wenn es zu häufigen Verstößen gegen Strafgesetze oder zu wiederholten Umgehungen von Sperrsoftware kommt, sind einschneidende Maßnahmen zulässig, wie etwa eine permanente Überwachung bis hin zur Sperrung des Internetzugangs dieser Schülerin.

Hier werden die einzelnen Schritte einer Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand eines Beispielsfalles dargestellt:

Beispielfrage: Darf eine Lehrkraft L zu Benotungszwecken verlangen, dass Schüler S die Kamera anschaltet?

Zur Abwägung werden folgenden Fragen gestellt:

  • Welche (schutzwürdigen) Daten werden durch die Kamera erhoben?
    (personenbezogene Daten, privates Umfeld → Recht auf informationelle Selbstbestimmung)
  • Warum ist bei der Benotung die Kamera-Ansicht erforderlich?
    (Aussprache, sportliche Bewegungsabläufe, Kopfrechnen,… )

Nun werden die verschiedenen Interessen ins Verhältnis gesetzt:

Verfolgt die Maßnahme (Kamera-Ansicht), die in die Rechte des Schülers eingreift, einen legitimen Zweck und ist sie geeignet, erforderlich und angemessen?

  • Legitimer Zweck?
    Ja, die Maßnahme dient der Leistungsbenotung (umfasst von § 67 Schulgesetz).
  • Geeignetheit?
    Ja, durch die Kamera kann z. B. die Aussprache benotet werden.
  • Erforderlichkeit?
    Gibt es ein anderes milderes Mittel? Erreiche ich den Zweck auf eine weniger einschneidende Art?
    Nein, wenn z. B. die Abnahme der Prüfung vor Ort in der Schule möglich ist, so dass Daten aus dem privaten Umfeld des Schülers geschützt bleiben.
  • Angemessenheit?
    Steht sie im Verhältnis zum verfolgten Zweck?
    Hier wird geprüft, welche Rechtsgüter einander gegenüberstehen – im o. g. Beispiel: der öffentliche Bildungs- und Erziehungsauftrag versus das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

    Ist also der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung des Schülers gerechtfertigt durch den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule? Ist dem Schüler zumutbar, seine Kamera einzuschalten und Privates über sich zu offenbaren, damit die Erfüllung des Bildungsauftrages gewährleistet werden kann? Hier beginnt die Abwägung anhand der oben gebrachten Argumente. Ist der Schüler allein zu sehen und offenbart nichts Individuelles aus seinem privaten Bereich? Oder ist er zusammen mit seinen Geschwistern und Eltern in einem Raum und es sind Personen und Einzelheiten aus dem privaten Umfeld erkennbar? Ist die Abnahme der Prüfung vor der Kamera für die Lehrkraft die einzige Möglichkeit der Benotung oder kann sie auf bereits bestehende Leistungsbewertungen von dem Schüler zurückgreifen?

Am Ende wird diese Abwägung bzw. die gesamte Verhältnismäßigkeitsprüfung immer eine Einzelfallentscheidung sein.