Einstiegsfall

Einstiegsfall

Lehrer A testet eine neue Methode für den Sprachunterricht. Er wendet diese Methode in einer 7. Klasse an und möchte seinen Französischunterricht im Laufe des Schuljahres regelmäßig mit der Videokamera aufzeichnen, um die Fortschritte seiner Schülerinnen und Schüler zu dokumentieren. A beabsichtigt, diese Aufzeichnungen bei einem Elternabend am Schuljahresende vorzuführen. Ist dies zulässig?


Sachinformation

Aktuelle Meldungen

Wissenschaftlich oder pädagogisch begründete Unterrichtsmitschnitte erlauben den Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern, Erkenntnisse oder Lernerfolge als objektive Betrachter zu erleben und diese zu reflektieren. Doch nicht jede Schülerin und jeder Schüler möchte in Ton- oder Bildaufnahmen vor der Klasse gezeigt werden. Die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern bedarf daher einer genauen rechtlichen Überprüfung.

Nimmt eine Lehrkraft Schülerinnen und Schüler auf Video, Audio oder einem Foto auf, muss dies zu einem pädagogischen oder wissenschaftlichen Zweck erfolgen. Außerdem sind rechtliche Rahmenbedingungen einzuhalten.

Die Lehrkraft muss differenzieren, ob sich die Aufnahmen in öffentlichen Räumen bewegen, oder ob es sich um solche im nicht öffentlichen Bereich handelt. Aufnahmen von Schülerinnen und Schülern in der Öffentlichkeit sind begrenzt möglich, siehe dazu Baustein 3.2 - Recht am eigenen Bild.

Schülerinnen und Schüler innerhalb der Klasse sind in einem engen persönlichen und gegenseitigen Kontakt. Aufnahmen in diesen Räumen sind stets als nicht öffentlich zu beurteilen mit der Folge, dass die Privatsphäre der Aufgenommenen betroffen ist. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der oder des Einzelnen müssen Lehrkräfte, die eine Veröffentlichung beabsichtigen, Schülerinnen und Schüler beziehungsweise Eltern die Aufnahmen genehmigen lassen (Näheres über Art und Weise der Einwilligung siehe Baustein 3.3 - Veröffentlichung von Werken). Dafür muss die Lehrkraft darlegen, wann und in welchem Umfang sie die Veröffentlichung beabsichtigt. Außerdem muss die Aufnahme angekündigt werden und darf in keinem Fall heimlich geschehen.

Ebenfalls zum nicht öffentlichen Bereich gehören:

  • Klassenfahrten,
  • Lehrerkonferenzen,
  • Elternabende,
  • Elternbeiratssitzungen,
  • Aufführungen einer Klasse, an der ausschließlich Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie deren Angehörige teilnehmen sowie
  • das Intranet einer Schule.

Möchten Lehrkräfte Aufnahmen von Schülerinnen und Schülern aus rein pädagogischen Zwecken machen, etwa um im Sprachunterricht die Aussprache zu spiegeln, müssen sie sicherstellen, dass die Aufnahmen nur den einzelnen Schülerinnen und Schülern zugänglich gemacht werden und nicht dem gesamten Klassenverband gegen den Willen der einzelnen Person. Gibt es jemanden in der Klasse, der schlechte Erfahrungen mit solchen Aufnahmen gemacht hat, sollte dem entgegengekommen werden, indem angeboten wird, das Endgerät der oder des Betroffenen zu verwenden, damit die Möglichkeit besteht, die Aufzeichnung auf dem eigenen Gerät wieder zu löschen. Eine Alternative bieten nicht WLAN-fähige Videogeräte. Hier können die Aufzeichnungen gespeichert und dann evtl. in Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler gelöscht werden, um sicherzustellen, dass die Aufzeichnungen nur zu dem angegebenen pädagogischen Zweck verwendet wurden.

Werden im Rahmen der Aufnahme urheberrechtliche Werke geschaffen, beispielsweise durch einen von Schülerinnen und Schülern selbst produzierten Podcast, so müssen die Beteiligten über die Nutzung dieser Mitschnitte Einigung erzielen und einer Veröffentlichung zustimmen (siehe hierzu Baustein 3.3 - Veröffentlichung von Werken). Die öffentliche Zugänglichmachung von Unterrichtsmitschnitten wird im Baustein 2.2 - Schulintranet und Lernmanagementsysteme erörtert.

Zu beachten sind außerdem die Regelungen des § 67 Abs. 4 Schulgesetz (SchulG). Danach dürfen für Zwecke der Lehrerausbildung, der Lehrerfortbildung und der Qualitätsentwicklung Bild- und Tonaufzeichnungen des Unterrichts erfolgen. Allerdings ist es erforderlich, dass die betroffenen Personen rechtzeitig über die beabsichtigte Aufzeichnung und den Aufzeichnungszweck informiert werden und sie ihre Einwilligung geben.


Gesetze und Vorschriften

Aktualisierte Inhalte

Hier finden Sie Links zu allen Gesetzen und Vorschriften, die für Baustein 5.4 - Unterrichtsmitschnitte - relevant sind.

§ 67 SchulG – Verarbeitung von Daten, statistische Erhebungen


Quellen und Links

Quellen und Links

Hier finden Sie eine Übersicht über zu Baustein 5.4 - Unterrichtsmitschnitte - passende weiterführende Links.

Hinweise zum Öffentlichkeitsbegriff, Definition der Nicht-Öffentlichkeit an Schulen
Abrufbar unter https://lehrerfortbildung-bw.de/st_recht/urheber/urh/allg/oeff/


Weitere Fallbeispiele

Weitere Fallbeispiele

Hier finden Sie ein zu Baustein 5.4 - Unterrichtsmitschnitte - passendes Fallbeispiel.

Lehrer A nimmt im Chemieunterricht einen Versuch, den die Schülerinnen und Schüler durchführen, auf einer Videokamera auf, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch für die folgenden Schuljahre verwenden zu können. Er informiert Schülerinnen und Schüler sowie Eltern hierüber und erhält deren Einwilligung. Während der Aufnahme lässt Schüler B ein Reagenzglas fallen und schneidet sich in den Finger. Danach läuft er mit einem Aufschrei aus dem Bild. In der Schulklasse bricht Gelächter aus. B und seine Eltern möchten nun nicht mehr, dass andere Schülerinnen und Schüler diese Aufnahmen sehen können und widerrufen die ursprüngliche Einwilligung. Darf A den Film trotzdem verwenden?

Lösung:

Nein! Unterrichtsmitschnitte müssen einen wissenschaftlichen und pädagogischen Zweck verfolgen. Steht etwas anderes im Mittelpunkt, wie beispielsweise ein Schüler, dem ein Missgeschick passiert, kann dieser Zweck nicht mehr erreicht werden. Im Zentrum des oben genannten Unterrichtsmitschnitts liegt nach dem Vorfall mit dem Reagenzglas nicht mehr der chemische Versuch, sondern Schüler B. Eine Verwendung würde B in seiner Privatsphäre verletzen. Da dieser und seine Eltern ausdrücklich ihre Einwilligung widerrufen haben, kann A den Film nicht mehr verwenden.