Smartphones und andere smarte Endgeräte in der Schule
Baustein 5.9
Einstiegsfall
Lehrer A bemerkt die Schüler B und C, wie sie den Schüler D mit Schlägen und Tritten attackieren. Schüler E filmt den Vorgang mit dem Smartphone. Welche Interventionsmöglichkeiten hat A?
Sachinformation
Das Smartphone als Multimediagerät hat längst Einzug in die Schulen gehalten. Es hat die Kommunikation der Jugendlichen deutlich verändert und ist zum täglichen Begleiter geworden. Ob Nachschlagewerk, Unterhaltung oder sonstiger Austausch, die Verwendungsmöglichkeiten sind scheinbar unbegrenzt. Das Smartphone spielt eine entscheidende Rolle in den meisten Bereichen des sozialen und schulischen Lebens. Teilweise dominiert es das Leben derartig, dass die Furcht, etwas zu verpassen, immer stärker wird. So werden Jugendliche von anderen Tätigkeiten (Schule, Sport etc.) abgelenkt und die Zeit, die sie mit dem Gerät verbringen, wird oftmals von Lehrkräften und Eltern unterschätzt.
Einen Höhepunkt erreichte die Nutzung der smarten Endgeräte während der Corona-Pandemie. Fast von einem Moment auf den anderen waren Schulen auf ihre Verwendung angewiesen. Auch dies brachte einen Schub in beide Richtungen. Die unterrichtliche Nutzung der digitalen Geräte erhielt in fast jeder Schule endgültig Einzug, die Entgrenzung der Nutzung zwischen Schule und Freizeit, zwischen virtueller und analoger Welt verstärkte sich.
Schulen müssen sich ebenfalls mit anderen Smartgeräten wie der Smart Watch und dem Smart Speaker auseinandersetzen. Sie bereichern einerseits den Unterricht und eröffnen viele interdisziplinäre Möglichkeiten der Wissensvermittlung. Die Geräte können physikalischen Messungen oder als Projektor dienen und lehrreiche Inhalte vermitteln. Daneben kann durch den Einsatz in Schulen mit den Schülerinnen und Schülern ein angemessener Umgang erprobt und eingeübt werden. Doch der Einsatz birgt auch Gefahren in einem Ausmaß, dessen Umfang bisher niemand absehen kann.
Hinsichtlich des Datenschutzes ist zum Beispiel nicht transparent, welche personenbezogenen Daten aufgezeichnet, gespeichert und weitergeleitet werden. Außerdem kommen Jugendliche in der virtuellen Welt schneller mit jugendgefährdenden Inhalten in Berührung als in der analogen Welt. Ein weiteres Risiko in der digitalen Kommunikation sind Phänomene wie Mobbing oder Happy Slapping.
Baustein 5
Jugendgefährdende Inhalte
Immer wieder kommt es zu Vorfällen, bei denen Schülerinnen und Schüler jugendgefährdende Inhalte über WhatsApp oder Social Media-Kanäle verbreiten, seien es gewalthaltige Videos, rechtswidrige Symbole oder kinder- und jugendpornografische Darstellungen. Wichtige Informationen, wie damit umzugehen ist, befinden sich auf unserer Checkliste Jugendgefährdende Inhalte auf dem Smartphone.
Datenschutzrechtliche Aspekte
Smartphone
Jedes Smartphone ist mit hochfunktionellen Kameras, Mikrofonen, Lautsprechern, Schrittzählern und Ortungsgeräten ausgerüstet. Neben der vorinstallierten Tracking-Technik, die es erlaubt, Nutzeraktivitäten in Apps nachzuverfolgen, finden Kontaktdaten und Terminvorschläge aus E-Mails ihren Eingang in den Kalender oder das Adressbuch, ohne dass die Nutzerin bzw. der Nutzer etwas mitbekommen. Für Datenschützerinnen und Datenschützer ist das ein digitaler Albtraum. Die bereits vorinstallierten Apps dienen dazu, die durch die Geräte erhobenen Daten zu speichern, zu verarbeiten und weiterzuleiten. Um dieses Vorgehen zu unterbinden, muss viel Medienkompetenz und Zeit in den Geräte-Einstellungen an den Tag gelegt werden. Zwar bestimmt Art. 25 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), dass das Smartphone und die installierten Apps bereits bei Werkseinstellung datenschutzkonform voreingestellt sein müssen, das wird aber längst nicht überall umgesetzt.
Wird eine neue App installiert (z. B. bei Google Play oder im App Store von Apple), fallen ebenfalls „persönlich identifizierbare Informationen" an, die vom Konto der Anschlussinhaberin bzw. des Anschlussinhabers den Anbietern der App bereitgestellt werden.
Außerdem ist unter Umständen in der Voreinstellung erlaubt, dass sogenannte Sprachassistenten (zum Beispiel Google Now für Android) anhand der Benutzung lernen (also mithören) und App-übergreifende Vorschläge machen. Nicht zu vergessen ist die automatische Speicherung der Daten in einer Cloudlösung (zum Beispiel iCloud beim iPhone). Erhobene Daten werden dabei automatisch für ein Backup in die Cloud geladen, sofern die Cloudfunktion nicht deaktiviert wird. Da die Gerätehersteller regelmäßig im nichteuropäischen Ausland sitzen, gilt für diese Clouds nicht der europäische Datenschutzstandard. Die Verwendung ist daher nicht ratsam.
Nicht auszuschließen ist, dass bei automatischen Updates je nach Betriebssystem bereits deaktivierte Funktionen der Apps wieder hinzugefügt oder aktiviert werden.
Das Datensendeverhalten von Apps ist darüber hinaus intransparent, denn Apps senden Daten über das Nutzerverhalten an die Anbieter. Dadurch können Rückschlüsse über Anwenderinnen und Anwender getroffen werden, um gezielt Werbung zu platzieren.
Grundsätzlich sollte man Schülerinnen und Schüler darauf hinweisen, dass jedes Smartphone unbemerkt Datenspuren im Netz hinterlässt und es möglich ist, nach der Installation einer App in den Smartphone-Einstellungen einzelne Zugriffe zu verhindern. Es sollte immer beachtet werden, dass die jeweilige vorinstallierte Cloud des Geräteherstellers ausgeschaltet werden kann und im Schulbereich auch ausgeschaltet werden sollte.
Smartwatch
Die Smartwatch übernimmt viele Funktionen des Smartphones und sollte im Zweifel genauso behandelt werden.
Smartwatches mit Monitoring- bzw. Abhörfunktion, wie sie von einigen Anbietern für Kinder angeboten werden, sind als verbotene Sendeanlagen ebenfalls nicht erlaubt.
Smartspeaker
In datenschutzrechtlicher Hinsicht sind die Funktionen eines Smartspeakers ausgerichtet auf ständiges Mithören, Warten auf Signalwörter und, dank neu entwickelter künstlicher Intelligenz (KI), auch auf Lernfähigkeit. Je nach Gerät werden Antworten auf Fragen, Musik oder Videos wiedergegeben oder andere Aktionen wie die Bedienung anderer Smart Geräte ausgelöst. Dabei werden eine Menge personenbezogener Daten wie die Stimme, aber vielleicht auch sensible Gesprächsdaten, gespeichert und mit anderen Informationen der Kontoinhabenden verknüpft.
Da die meisten Anbieter der Sprachassistenten ihren Sitz nicht in Europa haben, werden die Daten an sogenannte Drittländer übersendet und dort gespeichert. Das bedeutet, vor der Verwendung eines Smartspeakers wäre ein Vertrag zur Auftragsverarbeitung nach Art. 28 DSGVO oder eine vergleichbare Regelung abzuschließen. Näheres hierzu unter Baustein 1.1 - Betrieb eines Schulverwaltungsnetzes. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass es in der Vergangenheit aufgrund der Fehleranfälligkeit der Systeme bereits zu Datenpannen bei der Aufnahme und dem Zugang zu diesen Aufnahmen kam.
Zwar dürfen nach § 67 Abs. 4 Schulgesetz (SchulG) für Zwecke der Lehrkräfteausbildung, der Lehrkräftefortbildung und der Qualitätsentwicklung von Unterricht Bild- und Tonaufzeichnungen des Unterrichts erfolgen, sofern die betroffenen Personen rechtzeitig über die beabsichtigte Aufzeichnung und den Aufzeichnungszweck informiert werden und sie einwilligen. Im Umkehrschluss ist jedoch nicht davon auszugehen, dass dies ebenfalls für den Schulunterricht gilt, der nicht für die Zwecke der Lehrkräfteausbildung stattfindet. Darüber hinaus werden die in § 67 Abs. 4 SchulG beschriebenen Aufnahmen lediglich für die Ausbildung und Qualitätsentwicklung verwendet. Sie werden von keinem Smartgeräte-Anbieter erhoben und nicht in (außereuropäischen) Clouds abgespeichert. Ein Einsatz von Smartspeakern im Unterricht kann daher nicht genehmigt werden.
Jugendgefährdende Inhalte
Digitale Medien bieten für Kommunikation und Information einerseits viele Möglichkeiten, andererseits bergen sie auch vielfältige Gefahren. So können über Smartphones gewalttätige oder (kinder-)pornografische Fotos oder Videos an Heranwachsende versendet werden. Es kommt vor, dass jugendgefährdende Informationen in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen, sei es als Mutprobe oder aber auch, um andere zu schockieren, zu demütigen oder ihnen zu imponieren. Kinder und Jugendliche sind sich der Gefährdung durch solche Fotos oder Videos nicht bewusst. Ihnen ist nicht klar, dass sie sich mit dem Weiterversenden strafbar machen, §§ 184 ff. Strafgesetzbuch (StGB) und § 27 Jugendschutzgesetz (JuSchG), siehe Baustein 2.4 - Schülereigene mobile Endgeräte und Baustein 5.6 - Jugendgefährdende Inhalte. Einige Phänomene seien nun kurz beschrieben:
Tasteless-Sites
Als Tasteless-Sites bezeichnet man Internetangebote, die extreme Gewaltdarstellungen oder versehrte und verstümmelte Menschen zeigen und die geeignet sind, Kinder und Jugendliche sittlich schwer zu gefährden und zu desorientieren. Diese Seiten vertreiben Bilder oder kurze Videos, die in der Regel nur wenige Sekunden dauern und brutale Körperverletzungen bis hin zu Tötungen zum Inhalt haben. Auch wenn in Deutschland viel für den Jungendschutz getan wird und durch die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) eine sofortige Indizierung ergeht und die Seite gesperrt würde, sitzen die Betreiber dieser Websites in der Regel im Ausland und können kaum ergriffen werden.
Snuff-Videos
Die gerade erwähnten Filme bezeichnet man als „Snuff-Videos“. Snuff kommt von „to snuff out“ und bedeutet „jemanden auslöschen“. Sie kursieren im Internet und werden auf verschiedenen Plattformen weiterverbreitet. Sie können via Bluetooth oder anderen „Teilen“-Funktionen auf andere Smartphones verbreitet werden. Für Kinder und Jugendliche stellt es eine Art Mutprobe dar, sich diese Videos anzuschauen. Außerdem entwickelt sich häufig untereinander auch ein Wettstreit um das schockierendste Video. Dabei ist schon der Besitz solcher Videos strafbar (siehe unten „Straftaten mit dem Smartphone“). Hierbei ist auch zu erwähnen, dass Schülerinnen und Schüler, die ein iPhone besitzen, in der Regel die Funktion „AirDrop“ eingestellt haben und ungefiltert alle Bilder annehmen, die ihnen gesendet werden. Es ist daher erforderlich, die Schülerinnen und Schüler darauf hinzuweisen, dass Bilder nur von vertraulichen Quellen über AirDrop angenommen werden dürfen.
Den Urheberinnen und Urhebern der „Tasteless-Sites“ oder der gewaltverherrlichenden Filme wird selten der Prozess gemacht. Sie betreiben ihre Firmen oft im Ausland oder haben ihre Ursprünge im Internet unkenntlich gemacht, so dass man sie nicht finden kann. Es gibt zudem verschiedene Plattformen, bei denen derartige Seiten zu finden sind, zum Beispiel von Jugendlichen, die selbst gedrehte gewaltverherrlichende Videos ins Netz stellen, und die Website und den Zeitpunkt der Veröffentlichung im Schneeballsystem an Freunde und Bekannte weitergeben. Der Film kann dann in dem verabredeten kurzen Zeitraum heruntergeladen werden. Schon kurze Zeit danach wird er wieder gelöscht und die Urheberin bzw. der Urheber kann nur noch schwerlich gefunden werden.
Challenges, Mutproben
Anerkennung im Klassenchat, Likes und Kommentare dienen als Belohnung für Kreativität. Es geht im Grunde darum, möglichst viel Aufmerksamkeit für die geposteten Inhalte zu erregen. Neben besonders lustigen und informativen Beiträgen, die dabei herauskommen und sich schnell verbreiten, kommt es immer wieder zur Verbreitung extremer Inhalte. Dazu gehören die beschriebenen „Tasteless-Sites“ und Snuff-Videos, deren Versendung oder Konsumierung als Mutprobe dienen.
Beliebt sind auch sogenannte Challenges, bei denen es um die Erfüllung vorgegebener Aufgaben geht. Einige dieser Challenges sind harmlos, kreativ und lustig oder dienen einem wohltätigen Zweck (Beispiel: Icebucket-Challenge). Problematisch wird es, wenn die zu erfüllenden Aufgaben zu riskantem und gesundheitsgefährdendem Verhalten führen, zum Beispiel sportliche Stunts, Selfies auf Bahngleisen, Experimente mit Nahrungsmitteln (Zimt-Challenge). Der Aufruf zur Challenge kann über verschiedene Wege erfolgen, zum Beispiel über Nominierungen am Ende eines Videos oder über Kettenbriefe.
Kettenbriefe
Kettenbriefe werden in der Regel über den Klassenchat versendet. Neben der Initiierung von Mutproben und Aufrufen zu riskanten Challenges gehören die Verbreitung von Gruselgeschichten und Todesdrohungen sowie problematischer Inhalte (Pornografie, Gewaltverherrlichung, Extremismus) zu den jugendgefährdenden Inhalten. Hinzu kommt die Verbreitung von Fake News und Werbung bzw. als Werbung getarnten Lockangeboten, die zu Seiten mit Abofallen, Datensammlung oder Schadsoftware führen.
Kettenbriefe enthalten eine Aufforderung, den Beitrag an eine bestimmte Anzahl von Kontakten weiterzuleiten, gepaart mit der Drohung, dass ansonsten etwas Schlimmes passiert. Bei Fake News wird Druck aufgebaut, dass die jeweilige Info dringend bekannt gemacht werden muss. Bei kommerziellen Kettenbriefen werden Vergünstigungen in Aussicht gestellt, wenn man die scheinbare Werbung im Freundeskreis verbreitet.
Straftaten mit dem Smartphone
Es werden ebenfalls Straftaten mit dem Smartphone begangen. Zum Beispiel ist das Anbieten, Überlassen und Zugänglichmachen pornographischer Schriften an Heranwachsende unter 18 Jahren strafbar, §§ 184 ff. StGB. Das Zugänglichmachen offensichtlich schwer jugendgefährdender Medieninhalte gegenüber Minderjährigen wird in § 27 JuSchG unter Strafe gestellt. Wer pornografische oder gewaltverherrlichende Inhalte an Kinder und Jugendliche verbreitet und weitergibt, macht sich strafbar. Es ist aus diesem Grund ebenso strafbar, solche Inhalte per Smartphone zu übersenden.
Gelangen kinderpornografische Inhalte in die Hände von Lehrkräften, müssen sie daher sehr vorsichtig damit umgehen. Denn solche Inhalte dürfen nicht in Besitz genommen werden, kopiert oder weitergeleitet werden. Im Einzelnen siehe dazu Baustein 5.6 - Jugendgefährdende Inhalte.
In solchen Fällen sollte der Schüler oder die Schülerin aufgefordert werden, das Gerät, auf dem sich die rechtswidrigen Inhalte befinden, auszuschalten, und der Vorgang sollte sofort bei der Polizei, der Schulleitung und gegebenenfalls bei den Eltern gemeldet werden.
Nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) sind Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren strafrechtlich verantwortlich, wenn sie zur Tatzeit ihrer Entwicklung nach reif genug sind, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, § 3 JGG. Doch selbst, wenn Jugendliche nicht in der Lage sind zu beurteilen, inwieweit es sich um gefährdende Inhalte handelt, kann die Richterin oder der Richter Maßnahmen anordnen wie etwa die Ableistung von unentgeltlichen Arbeitsstunden. Außerdem kann sie bzw. er sogenannte Erziehungsmaßregeln festlegen, §§ 9 ff. JGG. Sie bzw. er kann Gebote und Verbote aussprechen, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern.
Mobbing
Mobbing ist in der Schule ein schon lange bekanntes Phänomen. Schülerinnen und Schüler werden wiederholt und über einen längeren Zeitraum geärgert und schikaniert und zum Beispiel heimlich gefilmt (etwa auf der Schultoilette), um sie später in der Schule oder im Freundeskreis mit den Aufnahmen bloßzustellen. Letzteres ist eine strafrechtlich relevante Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, § 201a StGB, und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden.
Es kommt ebenfalls vor, dass das Gesicht der betroffenen Person mit Hilfe von Fotomontagen oder auch sogenannten „Deep Fake“-Videos in lächerlichen Darstellungen gezeigt wird. Die Verfasserinnen oder Verfasser solcher Fotomontagen machen sich der Nötigung, § 240 StGB, und auch der Bedrohung, § 241 StGB, strafbar.
Zum Mobbing gehören außerdem:
- Die permanente Belästigung mit Nachrichten und Fotos, was den Straftatbestand der Nachstellung, § 238 StGB, erfüllt.
- Des Weiteren werden Filme und Fotos auch zur Erpressung von Mitschülerinnen und Mitschülern genutzt, § 253 StGB. Die Täterinnen bzw. Täter erpressen Geld oder andere Wertgegenstände, indem sie drohen, erniedrigende Bilder oder Filme an andere Schülerinnen und Schüler weiterzuleiten, oder sie drohen mit weiteren Übergriffen.
Opfer sind nicht nur die Mitschülerinnen und Mitschüler, auch Lehrkräfte und Erziehungsberechtigte sind mittlerweile betroffen. Den Lehrkräften wird ein Streich gespielt und ihre Reaktion - zur Belustigung der Klasse - mit dem Smartphone aufgenommen und weiterverbreitet (siehe dazu auch Baustein 5.8 - Umgang mit Rechtsverletzungen in Sozialen Medien).
Verbreitung von Sexting-Inhalten
Sexting ist ein sogenanntes Kofferwort aus den Begriffen Sex und Texting. Es bezeichnet den einvernehmlichen Austausch von intimen Bildern und Videos von Personen in einer Beziehung. Juristisch gesehen, dürfen sich Jugendliche ab 14 Jahren in gegenseitigem Einvernehmen erotische Aufnahmen voneinander schicken.
Problematisch wird dieser private Austausch, wenn die Bilder trotz gegenseitiger Versprechen, dies nicht zu tun, von einer der beteiligten Personen weiterverbreitet werden. Dies geschieht häufig aus Ärger nach einem Streit, nach dem Ende der Beziehung oder aus Versehen. Ein falscher Klick genügt. In einigen Fällen wurden die Dateien von Freundinnen oder Freunden verbreitet, die Zugriff auf das Smartphone oder Tablet hatten.
Wer intime Bilder gegen den Willen der abgebildeten Person verbreitet, macht sich strafbar. Wenn das passiert, ist das eine Katastrophe für die betroffenen Mädchen und Jungen. Oft bekommen die Erwachsenen im Umfeld diesen Vorgang nicht mit, da sich die Betroffenen nicht trauen, Hilfe zu holen. Sollte eine Lehrkraft Kenntnis von der widerrechtlichen Verbreitung von Sexting-Inhalten erhalten, ist bei der Intervention zu beachten, dass es sich um kinder- und jugendpornografische Inhalte handeln kann. Weitere Infos dazu finden Sie im Baustein 5.8 - Umgang mit Rechtsverletzungen in Sozialen Medien sowie auf unserer Checkliste Jugendgefährdende Inhalte auf dem Smartphone.
Happy Slapping
Eine andere Erscheinung ist das so genannte „Happy Slapping“. Es leitet sich aus dem Englischen ab und heißt so viel wie „fröhliches Dreinschlagen“. Schülerinnen und Schüler sind auf die Idee gekommen, Filme, die Gewalt zum Inhalt haben, selber zu drehen. So werden „Prügelschlachten“ auf dem Schulhof inszeniert und gefilmt. Später werden diese Filme vom Smartphone entweder auf andere Smartphones überspielt oder ins Internet gestellt. Von hier können sich alle Interessierten den Film wiederum auf ihre Smartphones laden und weiterverbreiten.
Eine Variante des „Happy Slapping“ besteht darin, vorab geplante Gewalttaten an Unbeteiligten mit einer Handykamera zu filmen. Die Herausforderung für die Jugendlichen besteht darin, selber nicht erkannt zu werden. Das Vorgehen wird von den Jugendlichen häufig nicht als Gewaltakt wahrgenommen, auch die Opfer werden nicht als Opfer, sondern eher als Darstellerinnen und Darsteller angesehen. Gewalt wird in diesen Filmen verherrlicht.
Handlungsmöglichkeiten der Lehrkraft bzw. der Schule
Für die betroffene Lehrkraft bzw. die Schule bestehen verschiedene Handlungsmöglichkeiten. So sollten Lehrkräfte präventiv im Unterricht auf unangemessene und gewaltverherrlichende Inhalte eingehen oder das Thema fächerübergreifend behandeln. Vielleicht lassen sich aktuelle Entwicklungen in den Unterricht integrieren und pädagogisch aufgreifen, um einen Reflexionsprozess bei den Schülerinnen und Schüler anzustoßen.
Wird es bei eindeutigen Rechtsverstößen notwendig einzugreifen, sollten die Lehrkräfte sich immer darüber im Klaren sein, dass ihnen im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht ein Eingreifen zum Schutz der Schülerinnen und Schüler erlaubt ist, sie aber die einzelnen Rechte der Schülerinnen und Schüler nicht außer Acht lassen dürfen. Ein wichtiger Faktor ist dabei eine ausführliche Handy-Nutzungsordnung, die zusammen mit den Schülerinnen und Schüler entworfen und besprochen wurde und auch den Eltern zur Kenntnis gegeben werden sollte.
Siehe hierzu auch ausführlich unter „Handlungsmöglichkeiten der Lehrkraft bzw. der Schule“ in Baustein 5.8 - Umgang mit Rechtsverletzungen in Sozialen Medien.
Unsere Checkliste Jugendgefährdende Inhalte auf dem Smartphone sowie die „Informationen für Schulen zur Prävention der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Inhalte“, Anlage zum EPoS vom 9.10.2023, siehe Quellen und Links, informieren darüber, was bei der Intervention zu beachten ist.
Kostenfalle Smartphone
Die Kosten der Smartphones erfahren eine weitere ernstzunehmende Entwicklung. Es gibt eine Vielzahl an Tarifen. Neben den herkömmlichen Laufzeitverträgen, bei denen am Ende des Monats neben der Grundgebühr auch die Einzelgespräche abgerechnet werden, werden Prepaidcards, Flatrates und Minuten- und Volumenpakete angeboten. Eltern sollten ferner darauf achten, keine Zahlungsinformationen auf den Geräten ihrer Kinder zu hinterlegen. Zwar müssen alle Kosten beispielsweise für eine App angegeben sein, werden aber eventuell von den Jugendlichen übersehen. Wie teuer der Service tatsächlich war, erfahren sie oft erst beim Blick auf die Handyrechnung. Oft wird übersehen, dass mit der angeblich gratis bestellten App ein Abonnement verbunden ist, für das in der Folge regelmäßig Geld abgebucht wird.
Wichtig: Anbieter müssen nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) vor Abschluss eines Abonnements deutlich über die wesentlichen Vertragsbestandteile informieren. Tun sie dies nicht, muss die Rechnung nicht bezahlt werden. Schließt ein nicht volljähriges Kind über 7 Jahre ein Abonnement ab und genehmigen die Eltern dieses nicht, ist es unwirksam. Auch Anbieter, die den Preis in der Werbung nicht deutlich angeben, verstoßen gegen das TKG. Gemeldet werden kann dies der Bundesnetzagentur per E-Mail an folgende Adresse: rufnummernmissbrauch@bnetza.de oder telefonisch unter 0291 9955-206.
Viele App-Anbieter bieten eine Überwachung der Kosten und der Inhalte der App über die sogenannte Familienfreigabe. Eltern können Familiengruppen erstellen und den Zugang der Apps für ihre Kinder kanalisieren und überwachen.
Gesetze und Vorschriften
Hier finden Sie Links zu allen Gesetzen und Vorschriften, die für Baustein 5.9 - Smartphones und andere smarte Endgeräte in der Schule relevant sind.
Art. 20 Abs. 3 GG – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
§ 823 BGB – Schadensersatzpflicht
§ 1004 BGB – Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
Art. 6 Abs. 1a) DS-GVO – Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
Art. 25 DS-GVO – Datenschutz durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen
Art. 28 DS-GVO – Auftragsverarbeitung
§ 3 JGG – Verantwortlichkeit
§§ 9 ff. JGG – Erziehungsmaßregeln
§ 27 JuSchG – Strafvorschriften
§ 67 Abs. 4 SchulG – Verarbeitung von Daten, statistische Erhebungen
§ 131 StGB – Gewaltdarstellung
§§ 184 ff. StGB – Verbreitung pornographischer Schriften
§ 201a StGB – Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen
§ 238 StGB – Nachstellung
§ 240 StGB – Nötigung
§ 241 StGB – Bedrohung
§ 253 StGB – Erpressung
§ 43a TKG – Verträge
§ 90 TKG – Missbrauch von Sende- oder sonstigen Telekommunikationsanlagen
§ 96 ÜschO – Erzieherische Maßnahmen
Quellen und Links
Hier finden Sie eine Übersicht über die in Baustein 5.9 - Smartphones und andere smarte Endgeräte in der Schule - verwendeten Quellen und weiterführende Links.
Informationen für Schulen zur Prävention der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Inhalte
Anlage zum EPoS vom 09.10.2023
lokaler Download (pdf)
Schule fragt. Polizei antwortet
Eine Handreichung der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes für Lehrerinnen und Lehrer
lokaler Download (pdf)
Studie „Mediatisierung mobil - Handy- und Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen“ des Instituts für Medien und Kommunikationswissenschaft, Universität Mannheim, herausgegeben von der LfM NRW
Abrufbar unter https://www.medienanstalt-nrw.de/zum-nachlesen/forschung/abgeschlossene-projekte/schriftenreihe-medienforschung/mediatisierung-mobil.html
Artikel „Das Handy als Unterrichtsmittel“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)
Abrufbar unter https://www.ins-netz-gehen.info/lehrkraefte-schule/handy-in-der-schule/handynutzung-im-unterricht/
Ausgewählte Apps für den Unterricht – Checkliste von klicksafe.de
Abrufbar unter https://www.klicksafe.de/materialien/apps-im-unterricht
Stiftung Warentest zum Datensendeverhalten von Apps
Abrufbar unter https://www.test.de/Datensendeverhalten-von-Apps-Keine-Besserung-in-Sicht-5485477-0/
Datenbank „appchecker“ von mobilsicher.de mit Testberichten zum Datensendeverhalten von über 30.000 Android-Apps
Abrufbar unter https://appcheck.mobilsicher.de/
Pressemitteilung der Bundesnetzagentur zum Rufnummernmissbrauch
Abrufbar unter https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Allgemeines/Presse/Pressemitteilungen/2020/20201229_Rufnummernmissbrauch.html
Informationen der Bundesnetzagentur zur Abhörfunktion bei Smartwatches
Abrufbar unter https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Anbieterpflichten/Datenschutz/VerbraucherInformation.pdf?__blob=publicationFile&v=4
Informationen der Bundesnetzagentur zur Verwendung verbotener Spionagegeräte
Abrufbar unter https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/Telekommunikation/Unternehmenspflichten/Datenschutz/MissbrauchSendeanlagen/start.html
Artikel auf theverge.com über eine Datensendepanne des Smartspeakers Alexa (Englisch)
Abrufbar unterhttps://www.theverge.com/2018/5/24/17391898/amazon-alexa-private-conversation-recording-explanation
Themenspezial „Kostenfallen“ von handysektor
Abrufbar unter https://www.handysektor.de/kostenfallen/, Zusammenfassung unter https://www.klicksafe.de/service/aktuelles/news/detail/handysektor-warnt-vor-der-kostenfalle-smartphone/#s|kostenfalle
Informationen der Polizei zum Umgang mit Kettenbriefen und Online-Challenges
Abrufbar unter https://www.polizei-beratung.de/startseite-und-aktionen/aktuelles/detailansicht/5-tipps-der-polizei-fuer-den-umgang-mit-digitalen-kettenbriefen-und-online-challenges/
Tipps und Informationen von klicksafe.de zu Challenges und Kettenbriefen
Abrufbar unter https://www.klicksafe.de/kettenbriefe und
https://www.klicksafe.de/service/aktuelles/news/detail/aktuelle-falschmeldungen-zu-gefaehrlichen-challenges/
Aktuelle Informationen zu Werbe-Kettenbriefen von Verbraucherschutz.com
Abrufbar unter https://www.verbraucherschutz.com/thema/kettenbrief/
Übersichtsseite von klicksafe.de zum Thema Cybermobbing‘
Abrufbar unter https://www.klicksafe.de/cybermobbing
Checkliste „Ist mein Kind fit für ein eigenes Smartphone?“ von klicksafe.de
Abrufbar unter https://www.klicksafe.de/materialien/ist-mein-kind-fit-fuer-ein-eigenes-smartphone
Informationen zur Familienfreigabe bei Apple-Geräten
Abrufbar unter https://www.apple.com/de/family-sharing/
Informationen zur Familienfreigabe bei Google One
Abrufbar unter https://support.google.com/googleone/answer/9004015?co=GENIE.Platform%3DAndroid&hl=de
Dossier „DIGITALE ENDGERÄTE IM SCHULALLTAG“ des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg
Abrufbar unter https://www.lmz-bw.de/medienbildung/themen-von-a-bis-f/digitale-endgeraete-im-schulalltag
„Always on – mobile Medien, neue Herausforderungen“ Arbeitsmaterial für den Unterricht von klicksafe.de und handysektor
Abrufbar unter https://www.klicksafe.de/materialien/always-on-arbeitsmaterial-fuer-den-unterricht
Weitere Fallbeispiele
Hier finden Sie ein zu Baustein 5.9 - Smartphones und andere smarte Endgeräte in der Schule - passendes Fallbeispiel.
Lehrerin A bemerkt auf dem Schulhof eine Gruppe Schülerinnen und Schüler, die untereinander Smartphonevideos austauschen. Aufgrund ihrer Beobachtungen kommt sie zu dem Schluss, dass es sich um Gewaltvideos handeln muss. Was kann A tun?
Lösung:
Hat Lehrerin A einen glaubhaften Verdacht, dass sich jugendgefährdende Inhalte auf den Mobiltelefonen befinden, darf sie sich diese aushändigen lassen. Weigern sich die Schülerinnen und Schüler, darf sie allerdings keine Gewalt anwenden. Vielmehr kann sie schulrechtliche Sanktionen durchsetzen und die Polizei verständigen.
Sollte sich der Verdacht erhärten, es handele sich um kinderpornografische Inhalte, muss sie bedenken, dass solche Inhalte nicht in Besitz genommen werden, kopiert oder weitergeleitet werden dürfen. In diesem Fall sollten die Schülerinnen und Schüler aufgefordert werden, das Gerät, auf dem sich die rechtswidrigen Inhalte befinden, auszuschalten, und der Vorgang sollte bei der Polizei, der Schulleitung gemeldet werden. Im Einzelnen siehe dazu auch Baustein 5.6 - Jugendgefährdende Inhalte und Baustein 5.8 - Umgang mit Rechtsverletzungen in sozialen Medien.
Die Eltern müssen in jedem Fall informiert werden.