Datenerhebung beim Einsatz von Sicherheitstechnik
Baustein 1
Einstiegsfall
Schule S hat immer wieder Probleme mit Vandalismus auf dem Schulgelände und im Gebäude. Die Schulleitung überlegt, welche technischen Möglichkeiten ergriffen werden könnten, um die Einrichtung künftig besser zu schützen.
Sachinformation
Bei der Überwachung des Schulgeländes oder Schulgebäudes mit Sicherheitstechnik werden in der Regel auch personenbezogene Daten von Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften sowie Besucherinnen und Besuchern erfasst. Hier gilt es zu prüfen, ob es für das geplante Vorgehen eine entsprechende Rechtsgrundlage gibt und welche Maßnahme für die Situation und den Zweck angemessen ist.
Da Kameras heutzutage günstig zu erwerben sind und über Cloudspeicherungen quasi unbegrenzter Speicherplatz zu Verfügung steht, wird häufig zunächst an eine Form der Videoüberwachung gedacht. Gerade auch drahtlose Kameras, die ihre Daten über das WLAN senden und das aufwändige Verlegen von Kabeln ersparen, ermöglichen ggf. auch den Einsatz an bisher unzugänglichen Orten. Der Fernzugriff auf die Kamera über das Internet stellt zudem eine leichte Möglichkeit dar, eine orts- und zeitunabhängige Überwachung durchzuführen und sich die Aufnahmen sogar auf dem Smartphone anzusehen.
Videoüberwachung
Die Videoüberwachung an Schulen richtet sich für öffentlich zugängliche Bereiche nach § 21 Landesdatenschutzgesetz (LDSG), für nicht öffentlich zugängliche Bereiche nach § 3 LDSG. In bestimmten Tabubereichen ist eine Videoüberwachung jedoch grundsätzlich unzulässig. Dies ist dann der Fall, wenn die Überwachung mit einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Intimsphäre der Betroffenen verbunden wäre (z. B. die Videoüberwachung von Umkleidekabinen oder Toilettenanlagen).
Videoüberwachungsmaßnahmen während des laufenden Schulbetriebs sind i. d. R. unzulässig, da sich genügend aufsichtspflichtige Personen auf dem Schulgelände aufhalten. Besteht eine besondere Gefährdungslage, kann eine Videoüberwachung im Einzelfall datenschutzrechtlich akzeptabel sein. Es muss dann allerdings durch ein Schild auf diese Maßnahme sowie auf die verantwortliche Stelle hingewiesen werden. Zudem ist vor einer Videoüberwachung eine sog. Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) durch die Verantwortlichen vorzunehmen (Art. 35 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG – Datenschutz-Grundverordnung, DS-GVO). Durch die DSFA werden Verarbeitungsvorgänge, die voraussichtlich ein hohes Risiko für die persönlichen Rechte und Freiheiten betroffener Personen bergen, vorab auf ihre Folgewirkungen für deren Persönlichkeitsschutz – insbesondere deren Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 7 Charta der Grundrechte der Europäischen Union – EU-Grundrechtecharta) und Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 EU-Grundrechtecharta) – überprüft. Ziel ist es, bereits frühzeitig geeignete und angemessene Gegen- und Schutzmaßnahmen in technisch-organisatorischer Hinsicht zu treffen, um die identifizierten Risiken für die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen einzudämmen.
Um den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Betroffener zu verringern, wäre beispielsweise denkbar, lediglich ein Monitoring zu betreiben, jedoch keine Aufnahmen zu erstellen. In diesem Fall würde eine für die Sicherheit beauftragte Person einen bestimmten Kamerabereich in Echtzeit am Monitor überwachen.
Elektronische Schließsysteme
Eine im Vergleich zur Videoüberwachung gänzlich mildere Maßnahme wäre der Einsatz elektronischer Schließsysteme für bestimmte Bereiche. Wenn es beispielsweise auf Schultoiletten immer wieder zu Vandalismus kommt, könnte der Zugang mit einem elektronischen Schlüsselsystem beschränkt werden. Zugleich ermöglichen manche Systeme, nachvollziehen zu können, wer zum Zeitpunkt etwaiger Beschädigungen die Räumlichkeiten aufgesucht hat. Die Einführung einer elektronischen Zugangssicherung für das oben genannte Szenario wirft jedoch nur dann keine grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Bedenken auf, wenn die erhobenen Daten einer engen Zweckbindung unterliegen und zeitnah gelöscht werden. Dabei sollten die erhobenen Zugangsdaten nach einer Frist von drei Tagen gelöscht oder durch neue Daten überschrieben werden. Eine Auswertung der erfassten Nutzung darf nur dann erfolgen, wenn es tatsächlich zu einem Vorfall kam, der aufgeklärt werden soll. Zudem sind die Betroffenen gemäß Art. 13 DS-GVO über die Datenverarbeitungsvorgänge, die mittels Chip oder Schlüsselkarte ausgelöst werden, vorab zu informieren.
Sofern auch Lehrkräfte von dieser Form der Zugangssicherung betroffen sind, ist unter Einbeziehung der Personalvertretung zu regeln, dass die erhobenen Daten nicht für allgemeine Verhaltens- und Leistungskontrollzwecke verwendet werden.
Gesetze und Vorschriften
Hier finden Sie Links zu allen Gesetzen und Vorschriften, die für Baustein 1.3 - Datenerhebung beim Einsatz von Sicherheitstechnik - relevant sind.
§ 3, § 21 LDSG - Zulässigkeit / Videoüberwachung
Art. 35 DS-GVO - Datenschutz-Folgenabschätzung
Art. 7, Art. 8 EU-Grundrechtecharta - Achtung des Privat- und Familienlebens / Schutz personenbezogener Daten
Quellen und Links
Hier finden Sie eine Übersicht über die in Baustein 1.3 - Datenerhebung beim Einsatz von Sicherheitstechnik - verwendeten Quellen und weiterführende Links.
Informationen des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz (LfDI) zur Videoüberwachung an Schulen
Abrufbar unterhttps://www.datenschutz.rlp.de/themen/videoueberwachung/videoueberwachung-an-schulen
Orientierungshilfe zu Videoüberwachung an Schulen
Abrufbar unterhttps://www.datenschutz.rlp.de/fileadmin/datenschutz/Dokumente/Orientierungshilfen/oh_vue_schulen.pdf
Checkliste zur Videoüberwachung an Schulen
Abrufbar unterhttps://www.datenschutz.rlp.de/fileadmin/datenschutz/Dokumente/Orientierungshilfen/checkliste_vue_schulen.pdf
Kurzpapier Nr.5: Datenschutz-Folgenabschätzung
Abrufbar unterhttps://www.datenschutz.rlp.de/fileadmin/datenschutz/Dokumente/Orientierungshilfen/DSK_KPNr_5_Datenschutz-Folgenabschaetzung.pdf
Hinweise des LfDI zur Datenschutz-Folgenabschätzung:
Abrufbar unterhttps://www.datenschutz.rlp.de/fileadmin/datenschutz/Dokumente/Orientierungshilfen/Hinweise_DSFA_20171205.pdf
Weitere Fallbeispiele
Hier finden Sie zu Baustein 1.3 - Datenerhebung beim Einsatz von Sicherheitstechnik - passende Fallbeispiele.
Der Schulträger stellt den Schulen im Rahmen seines Gebäudemanagements elektronische Schließsysteme zur Verfügung. Lehrer L verlangt vom Schulträger Auskunft über die Daten, die bei der Nutzung der Anlage über die Lehrkräfte gespeichert werden. L verlangt, dass die Schlüssel anonym zugelost werden, damit keine Bewegungsprofile erstellt werden können. Der Schulträger verweist L an die Schule. Wer muss den Bedenken des Lehrers Rechnung tragen?
Lösung:
Für die Beantwortung der Frage kommt es darauf an, wer der Verantwortliche im Sinne der DS-GVO ist, also wer über Mittel und Zwecke der Datenverarbeitung bestimmt (s. o.). Wenn die Schule eigene Spielräume hat, weil sie z. B. festlegen kann, dass die Schlüssel zugelost werden, entscheidet sie über die Mittel. Dann ist sie auch verantwortlich (s. OLG Hamm, Urt. Vom 9.3.2018, Az 11 U 25/17).
Vor den Fahrradständern auf dem Schulgelände wird eine Videokamera installiert, die 24 Stunden täglich an sieben Tagen der Woche aufzeichnet und die Aufnahmen einen Monat speichert. Ist diese Videoüberwachung rechtmäßig?
Lösung:
Nein. Eine Überwachung dürfte nur außerhalb der Schulzeiten erfolgen. Während der Schulzeiten wäre maximal ein Monitoring zulässig und auch nur dann, wenn dadurch beispielsweise Gefahrensituationen abgewendet werden können (durch unberechtigte Personen auf dem Schulgelände). Auch bei der Kameraüberwachung außerhalb der Schulzeiten wäre zunächst zu prüfen, ob nicht ein Monitoring ausreichend wäre. Die Aufnahmen dürfen zudem nur so lange gespeichert werden, wie sie für die Zweckerfüllung benötigt werden. Entsprechende Vorfälle können in der Regel am nächsten Schultag aufgeklärt werden. Aufnahmen wären somit nach dieser Frist zu löschen.
Eine IGS möchte auf ihrer Schulhomepage über insgesamt drei Webcams alle fünf Minuten Bilder aus der Mensa, vom Schulhof sowie aus dem Chemielabor online stellen. Wäre dies zulässig?
Lösung:
Webcams sind wie Videokameras zu beurteilen. Wenn auf den Bildern Personen erkennbar sind, ist eine Übertragung unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 21 LDSG, die die Zulässigkeit einer Videoüberwachung benennen, hier nicht vorliegen dürften. Mit Blick auf das sog. Recht am eigenen Bild, das die Veröffentlichung ohne Einwilligung des Betroffenen vom Grundsatz her verbietet, sollte also genau auf eine ausreichende Anonymisierung z. B. durch Verpixelung geachtet werden.
Benotung nach Videoaufzeichnung im Sportunterricht
Sportlehrer S möchte zur Motivation und Leistungssteigerung seiner minderjährigen Schülerinnen und Schüler die Übungen am Barren mit einem Tablet mit Video-App aufzeichnen und anschließend benoten. Die Schülerinnen und Schüler sind mit der Videoaufzeichnung nicht einverstanden. S behauptet, die Eltern hätten zu Beginn des Schuljahres eingewilligt. Ein Schüler P verweigert trotzdem die Übung und erhält die Note „6“. War die Aufzeichnung und Benotung zulässig?
Lösung:
Nein. Hinsichtlich der Benotung im Sportunterricht in Präsenz dürften in dem Fall, in dem sich Schülerinnen und Schüler weigern, per Video aufgezeichnet zu werden, gemäß § 67 Abs. 4 Schulgesetz (SchulG) ebenfalls keine Noten erhoben werden, und zwar selbst dann, wenn die Videoaufzeichnung als Lehr- und Lernmittel nach § 1 Abs. 6 SchulG vorgesehen ist; denn § 67 SchulG ist hierzu die Spezialbestimmung. Da hier die Aufzeichnung somit unzulässig gewesen wäre, hat sich P zu Recht geweigert; die Note „6“ darf daher nicht gewertet werden.