Einstiegsfall

Einstiegsfall

Die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse der Schule XY möchten während der Abschlussfahrt einen Kinoabend veranstalten. Dafür möchten sie den Aufenthaltsraum der Jugendherberge nutzen. Sie möchten auch einen Film schauen, der erst ab 16 Jahren freigegeben ist. Die Schülerinnen und Schüler versichern, dieser Film sei harmlos. Ein weiterer Schüler erklärt, er habe Zugang zu einer Streaming Plattform, auf der auch tagesaktuelle Kinofilme geschaut werden können. Lehrer A stimmt zu und erklärt, er würde die Aufsicht bis 23:00 Uhr übernehmen. Danach übergibt er Verantwortung und Aufsicht für die Einhaltung der Klassen- und Jugendherbergsregeln dem Klassensprecher. Die begleitende Lehrerin B möchte wissen, ob dieses Vorgehen zulässig ist und welche rechtlichen Grundlagen zu beachten sind.


Sachinformation

Aktuelle Meldungen

Klassenfahrten sind schulische Veranstaltungen. Lehrkräfte tragen demnach auf solchen Fahrten die Verantwortung und müssen ihre Aufsichtspflicht ausüben. Wenn auch eine lückenlose Überwachung weder möglich noch wünschenswert ist, muss die Lehrkraft sicherstellen, dass den Schülerinnen und Schülern, aber auch Dritten, kein Schaden entsteht und die Regeln der Schule eingehalten werden.

Im Folgenden wird daher die Ausübung der Aufsichtspflicht während der Klassenfahrten erörtert. Daneben werden auch weitergehende Themen wie Mediennutzung und Urheberrecht behandelt.

Aufsichtspflicht

Die Maßnahmen der Aufsicht sind dem Einzelfall anzupassen. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Gefährdung, dem Alter, aber auch hinsichtlich der bisherigen Erfahrungen mit den Schülerinnen und Schülern. Das heißt, es ist zwar keine ständige Anwesenheitspflicht geboten, doch dürfen Lehrkräfte nicht einfach Warnungen vor Gefahren aussprechen und es dabei belassen. Sie müssen vielmehr auch Vorsorge für die Fälle treffen, in denen die Warnungen nicht befolgt werden. Daher müssen im Einstiegsfall nicht nur die Schülerinnen und Schüler beaufsichtigt werden, Lehrer A muss ebenfalls sicherstellen, dass die Filme keine jugendgefährdenden Inhalte haben. Ein Film mit der Freigabe „ab 16“ für 14- und 15-jährige Schülerinnen und Schüler kommt also nicht in Frage. Es ist demzufolge vorab mit den Schülerinnen und Schülern zu klären, dass Filme „ab 16“ nicht für den Kinoabend zugelassen werden, sondern dass nur altersentsprechende Filme geschaut werden dürfen. Eine persönliche Kontrolle der Filme wird ebenfalls immer notwendig sein.

Es gehört ebenfalls zur Pflicht der Lehrkraft, bei der Delegation der Aufsichtspflicht die in Frage kommenden Personen sorgfältig auszuwählen. Auch die Übertragung der Aufsichtspflicht auf andere Personen wie beispielsweise Eltern unterliegt gewissen Anforderungen. Es muss sichergestellt werden, dass die aufsichtsführenden Personen die bestehenden Gefahren kennen und dass eine genaue Einweisung erfolgt. Sie müssen sowohl zuverlässig sein, als auch souverän im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern. Ein Klassensprecher wie im Einstiegsfall ist da nicht geeignet. Lehrer A sollte sich die Aufsichtspflicht vielmehr mit der begleitenden Lehrerin B teilen.

Die Lehrkräfte sollten vor Beginn der Fahrt mit den Schülerinnen und Schülern Verhaltensregeln festlegen, die auch Sanktionen bei Fehlverhalten enthalten. Bei höheren Jahrgängen kann der Konsum von Alkohol bei schulischen Veranstaltungen verboten werden, also auch während Klassenfahrten.  Generell gilt auch auf Klassenfahrten das Hausrecht der Schule, §§ 102 - 106 Übergreifende Schulordnung (ÜSchO), §§ 67 - 71 Schulordnung für die öffentlichen berufsbildenden Schulen (BBiSchulO), §§ 82 - 86 Schulordnung für die öffentlichen Sonderschulen (SoSchulO), §§ 59 - 63 Schulordnung für die öffentlichen Grundschulen (GrSchulO). Weiteres zur Aufsichtspflicht siehe Baustein 6.1 - Außerunterrichtliche Nutzung digitaler Medien und Baustein 5.6 - Jugendgefährdende Inhalte.

Nutzung digitaler Medien

Schülerinnen und Schüler werden auch während der Klassenfahrt digitale Medien nutzen. Über den Umgang mit dem Handy und anderen smarten Geräten siehe Baustein 5.9 - Smartphones und andere smarte Endgeräte in der Schule.

Der unkontrollierte Umgang mit den Endgeräten sollte auf der Klassenfahrt verhindert werden. Es bietet sich an, hier präventiv Regeln wie genaue Handyzeiten festzulegen, aber auch zu besprechen, welche Sanktionen bei Verstößen greifen. Nach § 96 Abs. 1 ÜSchO, § 62 Abs. 1 BBiSchulO, § 78 Abs. 1 SoSchulO, § 55 Abs. 1 GrSchulO zählt die zeitweise Wegnahme von Gegenständen – hierzu zählen insbesondere Handys, aber auch andere smarte Geräte wie die Smart-Watch – zu den erzieherischen Einwirkungen. Zu beachten ist dabei, dass Lehrkräfte die Geräte nicht ohne Erlaubnis auf illegale Inhalte untersuchen dürfen, da dies einen Eingriff in das Eigentum und die Privatsphäre der Schülerinnen und Schüler darstellen würde. 
Erhält die Lehrkraft Kenntnis von kinderpornografischen Inhalten auf dem Smartphone, sollte sie dies unverzüglich der Polizei melden und die Schulleitung sowie Eltern informieren. Auf keinen Fall sollte sie sich das kinderpornografische Material zusenden lassen oder das Gerät in Besitz nehmen. Dies könnte eine Straftat nach § 184 b Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB) darstellen. Unsere Checkliste Jugendgefährdende Inhalte auf dem Smartphone sowie die „Informationen für Schulen zur Prävention der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Inhalte“, Anlage zum EPoS vom 9.10.2023, siehe Quellen und Links, informieren darüber, was bei der Intervention zu beachten ist.

Ein absolutes Handyverbot auf der Klassenfahrt kann auch angedacht werden – wird aber vermutlich auf den Widerstand der Eltern, Schülerinnen und Schüler stoßen, die auch in Abwesenheit von zu Hause miteinander kommunizieren wollen.

Folgende Regeln sollten beschlossen werden:

  • Legen Sie fest, ob und wann die Endgeräte verwendet werden dürfen (z. B. bei einem Ausflug, für eine Stadt-Ralley oder in den Abendstunden) oder legen Sie klare Zeiten fest, für die ein Handy-Verbot gilt (z. B. während der Mahlzeiten, ab 23:00 Uhr oder Ähnliches).

  • Es dürfen sich keine jugendgefährdenden Inhalte auf den Geräten befinden und keine heimlichen Aufnahmen oder Aufnahmen gegen den Willen der Einzelnen gemacht werden.

  • Benennen Sie Sanktionen, falls Schülerinnen und Schüler gegen die Ordnung verstoßen. Zum Beispiel könnte das Handy bei Verdacht auf jugendgefährdende Inhalte eingezogen werden. Legen Sie verschiedene Eskalationsstufen fest, bis hin zur angeordneten Rückreise der Schülerinnen und Schüler.

Die Endgeräte könnten ebenfalls im Rahmen von Projektarbeiten eingesetzt werden und der Recherche dienen. Unter der Aufsicht von Lehrkräften sollte ein verantwortungsvoller Umgang mit den digitalen Medien vermittelt werden.

Urheberrecht

Selbstverständlich dürfen die Schülerinnen und Schüler keine Filme von illegalen Plattformen streamen. Doch auch das Streamen von kostenpflichtigen Plattformen wie beispielsweise Netflix oder Amazon Prime könnte gegen die Lizenz-Bestimmungen der jeweiligen Anbieter und gegen das Urheberrecht verstoßen. Ist ein Film auf das Endgerät heruntergeladen, ist es sinnvoll, vorab zu klären, dass es sich um keinen illegalen Download handelt (näheres zum Urheberrecht siehe Baustein 5.1 - Nutzung von Filmen, Unterrichtsfilmen, Bildern, Musik, Websites im Unterricht).


Gesetze und Vorschriften

Aktualisierte Inhalte

Hier finden Sie Links zu allen Gesetzen und Vorschriften, die für Baustein 6.4 - Klassenfahrten - relevant sind.

§§ 102 - 106 ÜSchO§§ 67 - 71 BBiSchulO§§ 67 - 71 FöSchulO§§ 59 - 63 GrSchulO – Hausrecht der Schule

§ 96 ÜSchO§ 62 BBiSchulO§ 62 FöSchulO§ 55 GrSchulO – Anwendung von Ordnungsmaßnahmen

Verwaltungsvorschrift „Aufsicht in Schulen“ vom 4. Juni 1999 (GAmtsbl. S. 328) – geändert durch VV vom 9. Juli 2002 (GAmtsbl. S. 384) und weitere relevante Textauszüge
Abrufbar unter lokaler Download

Verwaltungsvorschrift „Richtlinien für Schulfahrten“ vom 4. November 2005 (GAmtsbl. 2006, S. 12) – zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 27.08.2020 (GAmtsbl. 2020, S. 249)
Abrufbar unter http://landesrecht.rlp.de/jportal/?quelle=jlink&docid=VVRP-VVRP000004713&psml=bsrlpprod.psml


Quellen und Links

Quellen und Links

Hier finden Sie eine Übersicht über die in Baustein 6.4 - Klassenfahrten - verwendeten Quellen und weiterführende Links.

Informationen der Unfallkasse Rheinland-Pfalz zu Versicherungsschutz und Haftung bei Schulfahrten und Auslandsaufenthalten
Abrufbar unter

Checkliste Jugendgefährdende Inhalte auf dem Smartphone
Abrufbar bei Für die Praxis

Informationen für Schulen zur Prävention der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Inhalte, Anlage zum EPoS vom 09.10.2023
Abrufbar unter lokaler Download


Weitere Fallbeispiele

Weitere Fallbeispiele

Hier finden Sie zu Baustein 6.4 - Klassenfahrten - passende Fallbeispiele.

Lehrer C besucht während einer Klassenfahrt mit seiner Klasse ein Internetcafé. Er erkundigt sich bei dem Betreiber, ob dieser auch die aktuellen Filterprogramme verwendet und lässt nach einer kurzen Einführung, in der er auf Gefahrenquellen im Internet hinweist, seine Schülerinnen und Schüler unbeaufsichtigt im Internet surfen. Ist dieses Verhalten zulässig?

Lösung:

Nein! Lehrer C muss trotz der aktuellen Filtersoftware die Schülerinnen und Schüler wenigstens stichprobenartig überwachen. Ruft eine Schülerin oder ein Schüler jugendgefährdende Inhalte auf, kann neben der Haftung des Internetbetreibers eine Haftung des Lehrers wegen Unterlassens seiner Aufsichtspflicht gem. §§ 23 oder 24 Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag — JMStV) in Betracht kommen, da er jugendgefährdende Inhalte zugänglich gemacht hat.

Die Klasse 10 der Z-Schule plant eine Klassenfahrt nach China. Neben den Vorbereitungen zu Reiseroute und Unterbringung erklärt die Schulleitung, man müsse die Schülerinnen und Schüler auch über die Besonderheiten bei Informations- und Kommunikationstechniken aufklären. Zu Recht?

Lösung:

Ja, die Volksrepublik China trifft sehr weitreichende Maßnahmen der Informationsbeschaffung bei ausländischen Besuchern. Es ist davon auszugehen, dass jeglicher Datenverkehr überwacht wird. Auch das Internet wird auf kritische Begriffe hin zensiert, so dass nur regierungskonforme Treffer gezeigt werden. Schülerinnen und Schüler sollten daher vor der Einreise umfänglich darüber aufgeklärt werden. Folgende Hinweise gibt die Staatskanzlei RLP für die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechniken:

  • Alle elektronischen Geräte, die nicht wirklich benötigt werden, in Deutschland lassen.
  • Sämtlicher Datenverkehr wird mitgelesen und ausgewertet!
  • Den Nachrichtendiensten sind lange vor Ihrer Ankunft in China Ihre Reise und Reiseziele bekannt.
  • Es ist davon auszugehen, dass Hotelzimmer zugewiesen werden, um z. B. Abhören, Beobachten und Videoerstellung praktizieren zu können.
  • Einzig sicherer Ort für interne Besprechungen sind die abhörsicheren Besprechungskabinen der deutschen Botschaft.
  • Bei der Nutzung von Taxi- und Fahrdiensten sowie Mietwagen ist vom Mithören auszugehen.
  • Es muss damit gerechnet werden, dass Kontaktpersonen angesetzt werden, um Druckmittel gegen Sie zu erzeugen (nicht jede in China gemachte Bekanntschaft hat der „Zufall“ an Sie verwiesen).
  • Sensibles Material sollten Sie stets mit sich führen bzw. unter zuverlässiger Aufsicht lassen.
  • Grundsätzlich nicht in öffentliche Netzwerke einwählen (z. B. WLAN am Flughafen, im Hotel, etc.).
  • IT-Geräte (Smartphone, Tablets, Laptops, etc.) werden prinzipiell in aggressiver Weise abgehört bzw. angegriffen
  • Nutzen Sie keine öffentlichen Ladestationen für Ihre mobilen Endgeräte.