Begründung § 70 SchulG
Allgemeines
Die bisherige Lernmittelfreiheit besteht in einem Mischsystem zwischen Ausleihe für Schülerinnen und Schüler der Förderschulen und im Berufsvorbereitungsjahr und der Ausstellung von Lernmittelgutscheinen für Schülerinnen und Schüler der öffentlichen Grundschulen, Realschulen plus, Gymnasien, Integrierten Gesamtschulen sowie der noch bestehenden Haupt und Realschulen und einiger Schulformen im Bereich der berufsbildenden Schulen, sofern eine bestimmte Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Derzeit erhalten ca. 25 v. H. der in das Gutscheinsystem einbezogenen Schülerinnen und Schüler Lernmittelgutscheine. Wird die in der Landesverordnung über die Lernmittelfreiheit in der Höhe bestimmte Einkommensgrenze überschritten, müssen die Schulbücher in vollem Umfang selbst finanziert werden. Die Möglichkeiten zur Unterstützung der Eltern von Schulkindern bei der Beschaffung von Schulbüchern soll nun deutlich ausgeweitet werden.
Deshalb soll die Lernmittelfreiheit so weiterentwickelt werden, dass
- alle Eltern von den neuen Regelungen profitieren,
- Mehrbelastungen der bisher besonders unterstützten einkommensschwächeren Familien ausgeschlossen sind,
- die Schulen nicht mit vermeidbarem Verwaltungsaufwand belastet werden und
- das Verfahren möglichst einfach und unbürokratisch für Eltern, Schulen und Schulträger umzusetzen ist.
Die erforderlichen Maßnahmen hierfür sind:
1. Sofern die in der Landesverordnung über die Lernmittelfreiheit festgelegte Einkommensgrenze unterschritten ist, werden alle Schulbücher (einschließlich Atlanten) kostenlos ausgeliehen. Arbeitshefte und Übungshefte werden kostenlos übereignet. Dies betrifft den Personenkreis, der bisher Anspruch auf einen Lernmittelgutschein hatte. Die bisherigen Lernmittelgutscheine werden damit obsolet.
2. Für alle anderen Schülerinnen und Schüler der in die Lernmittelfreiheit einbezogenen Schularten und Schulformen soll künftig einkommensunabhängig schrittweise die Möglichkeit eröffnet werden, Schulbücher gegen ein Entgelt, das nicht über einem Drittel des Ladenpreises liegt, auszuleihen. Ausgenommen hiervon sind Bücher, die über einen Zeitraum von mehr als drei Schuljahren genutzt werden (z. B. Atlanten) sowie Arbeitshefte und Übungshefte. Das Verfahren wird von den Schulträgern durchgeführt, denen wie bisher die Durchführung der Lernmittelfreiheit als Pflichtaufgabe der kommunalen Selbstverwaltung obliegt. Die damit verbundenen erforderlichen Mehrbelastungen werden vom Land nach den Bestimmungen des Konnexitätsausführungsgesetzes erstattet. Es soll ab dem Schuljahr 2010/2011 für die Klassenstufen 5 bis 10 in den allgemeinbildenden Schulen, ab dem Schuljahr 2011/2012 für die Sekundarstufe II (Jahrgangsstufen 11 bis 13 der allgemeinbildenden Schulen sowie für die in die Lernmittelfreiheit einbezogenen Formen der berufsbildenden Schulen) und ab dem Schuljahr 2012/2013 für die Grundschulen eingeführt werden. Der Verwaltungsaufwand für die beteiligten Stellen soll durch die Schaffung eines Internetportals in zumutbarem Aufwand gehalten werden.
3. Über die bisherigen in die Lernmittelfreiheit einbezogenen Schularten und Schulformen hinaus sollen auch die höheren Berufsfachschulen und die Berufsoberschulen einbezogen werden.
4. Für die Schülerinnen und Schüler der Förderschulen und des Berufsvorbereitungsjahrs bleibt es bei der schon bisher praktizierten einkommensunabhängigen Ausleihe innerhalb bestimmter in der Landesverordnung festgesetzter Höchstgrenzen.
Die Voraussetzungen zur Umsetzung dieser Maßnahmen werden im Schulgesetz geschaffen.
Die nähere Ausgestaltung des neuen Ausleihsystems sowie die Einbeziehung der höheren Berufsfachschulen und der Berufsoberschulen in die Lernmittelfreiheit werden in der Landesverordnung über die Lernmittelfreiheit geregelt. Die Änderung der Landesverordnung soll zeitnah zu dem Gesetzentwurf erfolgen. Die Ausgestaltung des Verfahrens soll in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden, weiteren Schulträgern, dem Dachverband der Schulbuchverlage VdS Bildungsmedien sowie dem Börsenverein des deutschen Buchhandels erfolgen.
Finanzielle Auswirkungen auf das Land und die Kommunen
Die Kosten für die zusätzliche Option, Eltern die Schulbücher gegen ein Entgelt auszuleihen, wird sich wegen der Einnahmen aus diesem Entgelt im Endausbau im bisherigen Kostenrahmen bewegen. Erforderlich ist allerdings eine zusätzliche Anschubfinanzierung des Landes.
Folgende Kosten sind zu kalkulieren:
- für die Erstanschaffung der Bücher,
- für die Einbeziehung der höheren Berufsfachschule und der Berufsoberschule,
- für den nach dem Konnexitätsausführungsgesetz zu gewährenden Mehrbelastungsausgleich für die kommunalen Schulträger, der in der ausführenden Rechtsverordnung geregelt werden soll,
- für die entsprechenden Mehrbelastungen der freien Träger
- für die Erstellung und Pflege eines Internetportals zur Unterstützung des neuen Ausleihsystems einschließlich der Hardware und
- für die übergangsweise Fortführung des Gutscheinsystems in der Sekundarstufe II und in den Grundschulen bis zur vollständigen Einführung des neuen Ausleihsystems nach dem Stufenplan.
Unter der Annahme, dass die Einjahresbände alle drei Jahre und die Zweijahresbände alle sechs Jahre erneuert werden, und unter Berücksichtigung der Verwaltungskosten für die Kommunen wird sich die Haushaltsmehrbelastung im Jahr 2010 auf ca. 21, 5 Mio. EUR belaufen. Für die nächsten Jahre ist im Verhältnis zu den bisherigen Kosten nach vorläufigen Berechnungen derzeit mit folgenden Mehr- oder Minderausgaben zu rechnen:
2011: – 1,5 Mio. EUR
2012: – 5 Mio. EUR
2013: 8 Mio. EUR
2014: – 11 Mio. EUR
2015: – 11 Mio. EUR
2016: 15 Mio. EUR.
Die nach dem Konnexitätsausführungsgesetz erforderlichen Kostenverursachungs- und Kostenfolgenabschätzungen sollen vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur im Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen erstellt werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Mehrbelastungsausgleich in der Landesverordnung über die Lernmittelfreiheit geregelt werden soll. Dies wird erst möglich sein, nachdem die Konnexitätsverhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden abgeschlossen sind.
B. Zu den einzelnen Bestimmungen
Zu Artikel 1
Zu Nummer 1
In § 70 Abs. 3 SchulG wird die neue Form der Lernmittelfreiheit, die entgeltliche Schulbuchausleihe, gesetzlich verankert. Festgelegt wird explizit, dass ein Entgelt nicht zu erheben ist, sobald eine bestimmte Einkommensgrenze unterschritten wird. Damit wird sichergestellt, dass derjenige Personenkreis, der nach den bisherigen Bestimmungen einen Anspruch auf einen Lernmittelgutschein hatte, künftig von allen Kosten für Schulbücher, einschließlich Arbeitshefte, Übungshefte und Atlanten, befreit ist. Die Einkommensgrenze wird zudem regelmäßig angepasst werden.
Darüber hinaus haben alle Schülerinnen und Schüler der in die Lernmittelfreiheit einbezogenen Schularten, Schulformen und Bildungsgänge einkommensunabhängig Anspruch darauf, dass sie Schulbücher gegen ein Entgelt ausleihen können. Nicht hiervon umfasst sind Bücher, die über einen Zeitraum von mehr als drei Schuljahren genutzt werden (z. B. Atlanten), sowie Arbeitshefte und Übungshefte. Vorgesehen ist, die Bücher höchstens dreimal auszuleihen. Es besteht keine Verpflichtung, an der entgeltlichen Ausleihe teilzunehmen.
Die bisherige Möglichkeit, im Falle der Übereignung der Lernmittel einen Eigenanteil für die Sorgeberechtigten und volljährigen Schülerinnen und Schüler vorzusehen, bleibt erhalten. Über den bisherigen Anwendungsbereich für Schülerinnen und Schüler der Förderschulen und des Berufsvorbereitungsjahres hinaus ist diese Option auch bei der neuen entgeltlichen Ausleihe erforderlich. Nach der höchstens dreimaligen Ausleihe der Schulbücher können diese übereignet werden. In diesen Fällen soll es möglich sein, einen Eigenanteil zu erheben.
Soweit in Absatz 3 Satz 3 bestimmt ist, dass Lernmittelfreiheit zusätzlich zur entgeltlichen Ausleihe gewährt werden kann, soll dies sicherstellen, dass einerseits die kostenlose einkommensunabhängige Ausleihe für Schülerinnen und Schüler des Berufsvorbereitungsjahres und der Förderschulen aufrechterhalten bleibt. Zudem muss in den nächsten beiden Jahren das Gutscheinsystem für die Grundschulen und die Schulen der Sekundarstufe II, soweit sie einbezogen sind, beibehalten werden. Da die entgeltliche Ausleihe das Urheberrechtsgesetz berührt, soll parallel zum Gesetzgebungsverfahren eine Vereinbarung mit den Rechteinhabern, die durch den VdS Bildungsmedien vertreten werden, geschlossen werden. Hier wird auch das nähere Verfahren der entgeltlichen Ausleihe abgestimmt. Die sonstigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung der Lernmittelfreiheit bleiben erhalten. Gestrichen wird die Möglichkeit, die Lernmittelfreiheit auf Schülerinnen und Schüler aus Familien mit bestimmter Kinderzahl zu beschränken, da die Kinderzahl schon bei Berechnung der Einkommensgrenze berücksichtigt wird.
Zu Nummer 2
Die Ermächtigungsgrundlage in Absatz 4 wird dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechend konkretisiert. Aus dem Gesetz lässt sich so ermitteln, welches vom Gesetzgeber gesetzte Programm durch die Rechtsverordnung erreicht werden soll.
Zu Nummer 3
Absatz 5 regelt die Zuweisungen des Landes an die kommunalen Schulträger, die zur Ausführung der Lernmittelfreiheit erforderlich sind. Danach erhalten die kommunalen Schulträger Zuweisungen vom Land, die sich nach der Zahl der in die Lernmittelfreiheit einbezogenen Schülerinnen und Schüler und den erforderlichen Lernmittelausgaben richten. Die bisherige Regelung hat Zuweisungen für die bisherigen Varianten der Lernmittelfreiheit vorgesehen. Die leicht modifizierte Neuregelung sichert auch Zuweisungen im Rahmen des neuen entgeltlichen Ausleihsystems.
Festgelegt ist hier auch, dass die kommunalen Schulträger die im Rahmen der entgeltlichen Ausleihe anfallenden Entgelte verwalten. Das Aufkommen aus diesen Entgelten steht dem Land zu, das die Kosten für die Anschaffung der Bücher übernimmt.
Aufgenommen ist die Verpflichtung, in der Rechtsverordnung eine Regelung zum Ausgleich der Mehrbelastungen aufzunehmen, die durch den vorliegenden Gesetzentwurf entstehen. Die Einführung des entgeltlichen Ausleihsystems ist eine neue Aufgabe für die kommunalen Schulträger im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 des Konnexitätsausführungsgesetzes, die mit Kosten für diese verbunden ist. Die genaue Höhe der Mehrbelastungen ist erst nach den erfolgten Kostenverursachungsund Kostenfolgeabschätzungen und den sich gegebenenfalls anschließenden Konnexitätsverhandlungen zu beziffern.
Zu Nummer 4
Redaktionelle Folgeänderung zu Nummer 2.
Zu Artikel 2
Artikel 2 regelt das Inkrafttreten.